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Der Schwäbische Albverein Gemmrigheim wanderte in den
Schluchten des Tarn
Die
Überraschung war gelungen: Als die Reisenden am späten
Nachmittag von ihrer erlebnisreichen Wanderreise in Südfrankreich
wieder in Gemmrigheim eintrafen,
wurden sie von einigen Daheimgebliebenen mit
einem Glas Sekt empfangen. Koffer und Rucksäcke wurden
noch rasch umgeladen, und in fröhlicher Runde feierte
man das Wiedersehen. Jeder wusste etwas zu erzählen und
so schwirrten die Worte über den Platz wie
freigelassene Vögel.
Zehn
Tage lang waren unternehmungslustige Mitglieder und
Freunde des Schwäbischen Albvereins unterwegs, wie
schon bei früheren Reisen gut betreut durch Hatto Weber
vom Reisebüro Heideker. Zum großen Bedauern aller
fehlte sein erfahrener Mitorganisator und
„Co-Pilot“ Werner Häring aus
gesundheitlichen Gründen. „Jammerschade, dass er
nicht dabei ist, das hätte ihn auch begeistert“, hörte
man im Laufe der Tage immer wieder.
Es
war aber auch wirklich eine Reise voller Höhepunkte.
Zunächst war der Wettergott während der Fahrt über
Schaffhausen, Zürich und Bern nicht gerade wohlwollend
gesinnt, so dass das
obligatorische Brezelfrühstück beim Blick aus
dem Fenster auf später verschoben wurde, aber beim
ersten längeren Aufenthalt in Murten, dem Rothenburg
der Schweiz, war „der liebe Gott wieder beim
Albverein“. Hätte nicht immer wieder irgendwo die
Schweizer Flagge geweht, hätte man sich durchaus im
Allgäu wähnen können, bis Lausanne am Genfer See mit
der weithin sichtbaren Fontäne ins Blickfeld kam. Im
Dunst konnte man den Mont Blanc erahnen, Namen wie
Chambery, Albertville und Grenoble erinnerten an
vergangene Winterspiele. Wie eine
Vulkanlandschaft mutete dagegen die Umgebung
von St. Etienne und Clermont-Ferrand an, geprägt
durch den jahrelangen Abbau von Eisenerz.
Von
weitem schon grüßte eine riesige Marienstatue,
aus Kanonenblech gefertigt,
die Reisenden, als sie sich der Pilgerstadt Le
Puy näherten. Hier war die erste Übernachtung
eingeplant, und wer nach dem Abendessen Lust hatte,
unternahm einen Spaziergang durch die Stadt. Am Morgen
besuchte man gemeinsam die Kathedrale, verweilte vor
Bildern, Altären, der schwarzen Madonna und dem
sogenannten „Fieberstein“, wagte den Aufstieg zur
Marienstatue hoch über der Stadt und schlenderte dann
durch die engen buckligen Gassen zurück zum Hotel.
Bei
der Weiterfahrt bot die Landschaft immer wieder ein
anderes Bild, kleine Dörfer,
abgeerntete Felder, auf denen Linsen angebaut
werden, säumten die Straße, die sich kilometerweit bis
auf 1200 Meter Höhe hinaufzog zu einem
Causse, wie die kargen Hochflächen genannt
werden. In Millionen von Jahren haben sich die Wasser
durch das Gestein ihren Weg gesucht und dabei die tiefen
Schluchten gebildet.
Von
weit oben hatte man einen wunderbaren Blick auf das
mittelalterliche Städtchen St. Enimie,
dessen Häuser unterhalb der Felsen fast im Halbkreis um
eine große Tarnschleife errichtet wurden. Dort ging`s
dann zur Sache – nach dem ausgiebigen Picknick am Flußufer
wurde die Wanderausrüstung zusammen gesucht, noch
schnell aus der „Spender-Apfelkiste“ eine knackige
Frucht eingepackt und die erste Wanderung konnte
beginnen. Nicht ganz bei der Sache war allerdings ein
„Schatzsucher“, der jedoch nicht das erhoffte
Erfolgserlebnis des Tages vermelden konnte.
Auf dem steilem Pfad hinauf zur Kapelle der
heiligen Enimie wurden Französisch-Kenntnisse
ausgekramt, so dass oben angekommen auch der Unterschied
zwischen mon ami, mon chéri, ma chérie und mon amie
geklärt war.
Nach
kurzer Rast stieg
man wieder ab, wanderte
flußaufwärts dem Tarn entlang und wurde zur
abgemachten Zeit von Hatto Weber wieder erwartet, der
den Bus auf engen Straßen sicher nach Meyrueis
steuerte. Mehr als einmal hielten die Passagiere die
Luft an, wenn überhängende Felswände fast das
Fahrzeug streiften, bei Gegenverkehr fehlende
Leitplanken das Aneinander-Vorbeikommen zur
Meisterleistung machten und in den Kehren die Front des
Busses scheinbar über den Abgrund ragte.
War
das Kofferschleppen ins Hotel zu anstrengend oder war
die Lobby zu klein? Wie dem auch sei –ein kleiner
Stolperer und wie Dominosteine fielen Männlein und
Weiblein samt Gepäck
übereinander. Unter allgemeinem Gelächter
rappelten sie sich wieder auf und konnten die Zimmerschlüssel
in Empfang nehmen.
Die
Bilder der eindrucksvollen Landschaft noch im Kopf,
nahmen die Angekommenen anschließend den
Begrüßungsdrink von „Madame“ gerne
entgegen. Rundum
zufriedene Gesichter waren auch zu sehen, als das Menu
von freundlichem Personal aufgetragen wurde.
Obwohl
Hatto Weber schon „vorgewarnt“ hatte, warf man sich
am Morgen belustigte Blicke zu,
als Madame in Morgenmantel und Hausschuhen mit
den Kellnern das Frühstück servierte. Aber schon am nächsten
Tag hatte man sich an den Anblick gewöhnt, selbst wenn
sie in diesem Outfit
über die Straße huschte. Dem guten Appetit tat
das allerdings keinen Abbruch – auch ein französisches
Frühstück ist nicht zu verachten.
Die
helle Morgensonne beschien die schroffen Felsen auf dem
Weg über St. Enimie nach St. Chély, die Fotografen
waren ständig in Bereitschaft und wer schwindelfrei
war, blickte in die abgrundtiefen
Schluchten, durch die sich der Tarn seinen Weg sucht.
Beinahe harmlos sah er aus – aber wehe, wenn Regen fällt,
dann kann er zum reißenden Strom werden, da auch unzählige
Karstquellen plötzlich aus dem Boden brechen und ihre
Wasser dem Fluss zuführen.
Der
kleine Ort St. Chély, nur über eine schmale Brücke zu
erreichen, hat schon bittere Erfahrungen mit dem
Hochwasser gemacht. Hier verließen die Wanderer den Bus
und machten sich auf den Weg nach La Malène,
immer am Fluß entlang. Es war warm geworden und
der Weg doch etwas weiter als gedacht. An einer kleine
Bucht traute man seinen Augen nicht: da kam doch tatsächlich
jemand mit hochgekrempelten Hosen, eine große Schachtel
balancierend, vom gegenüberliegenden Flußufer durch
das Wasser gestapft – wer anders als Hatto! Seiner Überlegung
nach waren die Wanderer noch einige Zeit unterwegs
und jetzt kurz vor dem Schlappmachen, deshalb
belegte er in aller Eile Brötchen, packte sie in
besagte Schachtel und überquerte kurzerhand den Fluss.
Huch, jetzt rutscht er aus, hat er trockene Klamotten
dabei? Aber alles ging gut und mit Hallo wurde er am
Ufer begrüßt.
So
überraschend gestärkt, freute man sich auf die Fahrt
mit dem Stocherkahn, der bei Bedarf auch einen Motor
einsetzen konnte. Entspannt zurückgelehnt, lauschte man
den Erklärungen des Bootsführers – sofern man ihn
verstand -, erfreute sich an der herrlichen Umgebung,
beobachtete die flinken Fische oder hing den eigenen
Gedanken nach. In Cirque des Baumes war die Fahrt zu
Ende, auf dem Weg zum Bus entlang der Straße suchten
alle an den überhängenden Felsen nach dem
„Christuskopf“ und tatsächlich, aus einem
bestimmten Blickwinkel ließ sich ein steingewordenes
großes Gesicht entdecken.
Der
nächste Halt war beim Aussichtsfelsen Pas de Souci, der
sich aus dem Tarn erhebt und über eiserne Treppen zu
erreichen ist. Der Phantasie konnte man hier freien Lauf
lassen, wenn man
unter sich den rauschenden Tarn sah, der gigantische
Felsbrocken umspült und wenn gegenüber von hoher Warte
aus eine Teufelsfratze den steinernen Blick auf das Tal
heftet. Der Legende nach vertrieb hier die heilige
Enimie den Bösen, der sie verfolgte.
Über
Le Rozier fuhr man zurück nach Meyrueis, wo es beim
Abendessen eine kleine Sensation gab:
Madame, immer kühl und zurückhaltend, bedankte sich
mit Küsschen bei einem Helfer, der sich nach
heruntergefallenem Besteck bückte. Der Beifall war
beiden gewiss!
Der
übliche Einkauf fürs Picknick verzögerte sich am
Morgen etwas – von einem Fuß auf den andern tretend
warteten die „Einkäufer“ auf die Öffnung des
Lebensmittelmarktes, die laut Zeittafel
um acht Uhr sein sollte, aber erst kurz vor neun
kramte eine Verkäuferin den Schlüssel aus der Tasche.
Dieser Tag war „bus-frei“, also wurden mit vielen
helfenden Händen rasch Brötchen belegt und verteilt,
so dass die Versorgung unterwegs auf jeden Fall
gesichert war.
Man
wollte jetzt die Umgebung von Meyrueis bei einer
Rundwanderung kennenlernen. Winklige Gassen und
Trampelpfade – Achtung, auch hier waren Hunde
unterwegs! – führten hinauf zur Marienkapelle. Nach
kurzer Verschnaufpause
ging es wieder hinab ins Dorf. Jetzt war Kräftesammeln
angesagt, denn nach den letzten Häusern zog sich der
Weg scheinbar endlos in die Höhe. Das wohlverdiente
Vesper wurde dann auf der Hochebene mit Blick in die
Weite – oder Tiefe – verzehrt. Ganz Mutige erklommen
die Felsen nahe am Abgrund, begleitet von warnenden
Rufen. Ein paar Geier kreisten schwerelos über dem Tal,
unberührt von dem Gerede über ihre Absichten. Zum
Abmarsch bereit, stolperte man beinahe über einen bäuchlings
auf dem Boden Liegenden, aber keine Aufregung, er hatte
eine kaum sichtbare Mini-Orchidee entdeckt, die
fotografiert werden musste.
Über
das Plateau, das an die Schwäbische Alb erinnerte,
wanderte die Gruppe dann auf steinigem
Weg hinunter ins Tal. Ein zotteliger Esel auf eingezäunter
Wiese stieß ein lautes
„I-aa“ aus, was der Fachmann für Obstbau als
Aufforderung zur Fütterung verstand. Großzügig teilte
er seinen Apfel mit dem Grautier, das den
Weiterziehenden noch ein „I-aa“ nachsandte. Einige
sehnten sich nun nach einer Tasse Kaffee, ein paar
Nimmermüde drehten mit ihrem Begleiter Hatto noch eine
weitere Runde um den Ort.
Die
Brücke von Millau – alle waren gespannt auf das
technische Meisterstück, das Weltgeschichte im Brückenbau
schrieb. Der Bus wurde vollgepackt mit „Süßstückle“
jeder Art, das übliche Picknick würde dieses Mal
ausfallen, denn in Millau war Markttag! Und da gab es
ein überreiches Angebot an Leckereien. Doch zuerst
besuchte man unterhalb der Brücke den Besucherpavillon,
wo eine Bilderschau einen Einblick in Vorbereitungen,
Schwierigkeiten, Bauzeiten und Fertigstellung gab.
Die
Fahrt über die Brücke, die an gigantischen Pylonen
aufgehängt ist, war
natürlich ein absolutes Muss. Von der Anhöhe bei der
Brückenraststätte konnte das berühmte Bauwerk, das
aus der Ferne beinahe filigran wirkt,
noch einmal betrachtet werden. Unterdessen wurde
am Bus das „Kaffeehaus“ eröffnet, damit die Fahrt
nach der Felsenstadt Le Vieux Montpellier nicht zu schläfrig
machte. „Nehmen wir sie mit?“
- die Frage war schnell beantwortet und dankbar
stiegen zwei verschwitzte Wanderer in den Bus, die beim
Aussteigen einen leichten Mief hinterließen.
Die
Wanderfreunde waren überwältigt von dem
„Felsenchaos“ auf dem Causse Noir hoch über der
Dourbie-Schlucht. Was konnte man in bizarren Felsen
nicht alles erkennen – Bärenkopf, Kamel, Krokodil –
der Phantasie waren keine Grenzen gesetzt. Der natürliche
Felsbogen, das „Tor von Mykene“, war der ideale Ort
für ein Gruppenfoto, von einer Aussichtsplattform war
ein wunderbarer Rundumblick gegeben, und als sich die
Fotografen losreißen konnten, spazierte man zurück zum
Bus und ließ sich „heim“ chauffieren.
Der
letzte Schön-Wetter-Tag war angebrochen. Bei der Fahrt
nach Le Rozier zeigte sich das Jonte-Tal
in herbstlicher Pracht. Aus bunten Wäldern
stiegen steile Felsen auf, in den kleinen Dörfern blühten
Herbstblumen in Gärten und an Fenstern. Die Ansage von
Hatto riss seine Mitfahrer aus dem
Schwelgen: Genau da oben an der „Vase“, seht ihr
sie? machen wir Mittagspause. Kopfschüttelnd fragte man
sich, wo denn, da hinauf, man sieht ja gar keinen Weg?
In Le Rozier gab es eine kleine Verzögerung,
denn eine kleine schwarze Katze saß auf der Straße.
Wie war das? Bedeutete ihr Kommen von rechts nach links
Glück oder von links nach rechts? Dem Kätzchen war es
egal, es blieb einfach sitzen, ließ sich auch nicht
durch Hupen stören, bis ein Katzenfreund ausstieg und
es am Straßenrand absetzte.
Beim
Aussteigen auf dem Parkplatz das Übliche: „Hast du
die Stöcke, brauchst du noch was zum Trinken, gibt`s
noch einen Apfel, wo ist deine Mütze?“ Schließlich
waren alle soweit, dass sie dem Wanderführer folgen
konnten, der wie gewohnt ein flottes Tempo anschlug. Es
konnte nicht anders sein – es ging stetig bergauf.
Bald umkreisten einzelne Geier die freistehenden Felsen,
nur war langes nach oben Schauen riskant, der Weg
verlangte die ganze Aufmerksamkeit. Über Stock und
Stein, unter überhängenden Felsen, immer nahe am
Abgrund überwand man die Höhe und stand
auf einmal vor einer der riesigen „Vasen“,
gebildet von den Launen der Natur. Hier also sollte
in einsamer Höhe Rast gemacht werden. Aber von
wegen einsam – du liebe Zeit, da schiebt sich ja ein
Kopf über die Felswand und noch einer. Tatsächlich,
drahtige Kletterer kamen katzenartig nach oben. Beide
Seiten waren gleichermaßen erstaunt über die
unverhoffte Begegnung.
Plötzlich
war das Tal voller Geier, die sich vom Wind treiben ließen.
Vor Jahren waren sie hier fast ausgestorben, sie wurden
in Aufzuchtstationen wieder angesiedelt und sind nun
eine der Attraktionen des Tales.
Dann
packte auch den „Schatzsucher“ wieder das
Cache-Fieber. Bei der „Vase“ sollte es ein Versteck
geben und diesmal hatte er das „Aha“-Erlebnis. Während
die anderen ihre Siebensachen zusammengepackten,
hatte er sich
schnell in das winzige Logbuch eingetragen und konnte
nun unbeschwert weiterwandern. Nur wer wirklich ganz
schwindelfrei sei, könne ihn auf einem besonderen Umweg
begleiten, meinte Hatto Weber, die anderen sollten den
gleichen Weg nach Le Rozier zurückgehen, der auch nicht
zu verfehlen sei. Am Bus trafen denn auch alle
unversehrt wieder ein und die Rückfahrt nach Meyrueis
war noch einmal ein Genuß, denn die Felsen leuchteten
beim Schein der Abendsonne in vielen Farben um die Wette
mit dem Bunt der Wälder.
Ein
trüber Tag ist zu verkraften, daher bot sich der Besuch
der riesigen Tropfsteinhöhe Aven Armand auf dem Causse
Méjean geradezu an. Als die Drahtseilbahn in die Höhle
einfuhr, waren die Besucher von der Größe und Schönheit
dieses Naturwunders überwältigt. Stalagmiten bis zu 30
Meter hoch, fantastische Gebilde, die Bäumen, Palmen
oder überdimensionalen Tellerstapeln ähneln, Vorhänge
aus fast durchsichtigem Gestein, man konnte sich nicht
sattsehen an dieser Pracht. Noch bei der Fahrt nach St.
Enimie drehte sich das lebhafte Gespräch um dieses
Erlebnis.
In
der Kleinstadt war gerade Flohmarkt, so hielt man die
Vesperpause etwas außerhalb ab. Im
Eiltempo konnte man den mittelalterlichen Stadtkern
erkunden, was bei den
vorherigen Fahrten aus zeitlichen Gründen nicht
möglich war. Ein leichter Nieselregen setzte ein, als
die Reise nach Florac fortgesetzt wurde. Dort sollte die
große Karstquelle besichtigt werden. Infolge der langen
Trockenperiode floss aber nicht einmal ein kleines
Rinnsal zwischen den Felsbrocken hindurch, daran änderte
auch der kurze Regenguss nichts.
Ein
Bild für Götter bot sich den Betrachtern, als der
Cache-Fan eine bemooste Mauer nach einem Schatz
absuchte. Entgegen allen Regeln achtete er nicht auf die
vielen Helfer, die sich eingefunden hatten und hilfreich
jeden losen Stein aus der Mauer zogen. Wer keinen Platz
mehr an der Mauer hatte, betrachtete erheitert die
Kehrseiten seiner Mitwanderer oder gab gute Ratschläge.
Es ist zu hoffen, dass die Mauer dem nächsten Regen
standhält, da ihr so viele Hände eventuell den Halt
raubten. Der Spaß war groß, wenn auch kein
„Schatz“ zutage kam.
Gemeinsam
unternahm ein Teil der Gruppe noch eine Wanderung durch
den Wald rund um Florac, während andere eine
Kaffeepause im Städtchen vorzogen.
In
der Nacht und am Morgen goss es in Strömen, wandern war
so einfach nicht möglich. Aber Hatto Weber wäre nicht
er, wenn er nicht eine andere Möglichkeit für den
Tagesablauf in petto hätte. Er
startete zu einer Fahrt in die Cevennen, wo an einer
engen Klamm der zum Teil unterirdisch verlaufende
Fluss Bonheur als
„Bramabiau“ wieder aus den Felsen tritt. Das Wort
soll Ochsengebrüll bedeuten, denn wenn das Wasser bei
der Schneeschmelze oder starkem Regen aus der Klamm
schießt, ist das tosende Brausen durchaus mit einem
Gebrüll vergleichbar. Leider wurde der Regen so heftig,
dass an eine Begehung des unterirdischen Höhlenlabyrinths
wegen Überschwemmung nicht zu denken war. Was also tun?
Am besten aus der Not eine Tugend machen, das hieß in
diesem Fall das mitgebrachte Vesper in der Imbißstube
am Höhleneingang auszupacken. Die Wirtsleute brachten
schnell die Heizung in Gang, boten auch kleine
Mahlzeiten an, waren jedoch nicht auf den Durst der
Albvereinler eingestellt, aber der kurzfristige Engpass
beim Wein konnte bald behoben werden.
Ein plötzlicher Blitzeinschlag legte die
Elektrizität lahm, doch nach kurzer Zeit lieferte die
Kaffeemaschine wieder
das begehrte Getränk.
Endlich
kam die Sonne wieder zum Vorschein, die nassen Sachen
wurden verstaut, die Überreste vom Vesper durfte man
freundlicherweise zurück lassen und fort ging`s auf
regennassen Straßen, über das Plateau des Causse Noir
zum Tarn. Der wieder einsetzende Regen war nicht so
heftig, als dass man nicht die Wanderung hinauf zu den Höhlendörfern
machen konnte. Was bewegte einst wohl die Menschen, sich
in diese unwirtlichen Höhen zurück zu ziehen? Und wenn
auch selten, so fanden sich immer wieder Spuren, dass
auch heute noch die Behausungen nicht ganz verlassen
sind.
Der
letzte Abend im Hotel Mont Aigual war angebrochen. Man
bedankte sich mit einem Geldgeschenk
bei den Bediensteten und gerührt lauschte Madame
dem französischen Chanson, das ein geübter Sänger aus
dem Verein vortrug. Der Bitte des polnisch-stämmigen
Kellners kam man allerdings nicht nach: Er wünschte
sich ein deutsches Lied, aber dass es ausgerechnet „Oh
Tannenbaum“ war, hatte niemand
erwartet. Zum letzten Mal gingen die Kellner mit
Schüsseln von Tisch zu Tisch, servierten Suppe,
Vorspeise und Hauptgericht, Käse und Dessert wie an
allen Abenden zuvor.
Au
revoir hieß es am Morgen von allen Seiten, und wie
immer bei einem Abschied blieb ein bisschen Wehmut zurück.
Was hatte man in diesen Tagen nicht alles erlebt, aber
noch war die Reise nicht zu Ende. Die Fahrt über die
Panoramastraße der Cevennen
bei klarer Sicht war einfach nur schön.
Markt
– ein Zauberwort, das viele Herzen höher schlagen lässt.
Ein solcher fand in St. Jean du Gard statt – es gab
wie überall alles was man brauchen konnte oder auch
nicht. Eines gibt es allerdings nicht mehr so häufig -
richtige Scherenschleifer, nicht als Schimpfwort
gemeint, sondern wirklich solche, die das Schleifrad
drehend ihre Dienste anbieten
und offensichtlich wurden diese rege in Anspruch
genommen. Wer nach einem Mitbringsel suchte, fand bei
der großen Auswahl bestimmt das Richtige – sei
es Käse oder Wurst, Seife oder Tücher,
Knoblauch oder Kastanien- die Händler hielten das und
noch viel mehr feil.
Alles
wurde sorgfältig verstaut, nur ein dicker Knoblauchzopf
baumelte an der Frontscheibe, sollte er vielleicht die
durstigen Mitreisenden vertreiben, die sich während der
Fahrt an
der „Bus-Bar“ Nachschub holen wollten?
Nachdem
nun die Schluchten des Tarn und der Jonte teils
erwandert, teils befahren worden waren, wartete noch
eine weithin bekannte auf Entdeckung: die Ardèche-Schlucht.
Man konnte sich nicht satt sehen an der herrlichen
Landschaft, als man auf der Höhenstraße entlang fuhr.
An den markantesten Punkten legte der Fahrer einen Stop
ein, damit die Erinnerungen auch mit Kamera und
Fotoapparat festgehalten werden konnten. Am letzten
Haltepunkt war
ein großes Aufgebot an Polizei, Feuerwehr, Radio- und
Fernsehsendern, die neugierige Nachfrage ergab, dass ein
Höhlenforscher vermisst wurde. In der Heimatzeitung
stand einige Tage später, dass er nur tot geborgen
werden konnte.
Am
tausendfach fotografierten Torbogen der Ardèche
schmeckten heiße Würstchen, Käse- und Schinkenbrötchen,
bevor man die wunderschöne
Gegend endgültig verließ. In Lyon, der
Seidenstadt, wurde noch einmal übernachtet. Da die
Rush-hour noch nicht vorbei war, musste Hatto Weber viel
Geduld aufbringen, bis das Hotel erreicht war. Die
Reisenden konnten
dagegen gelassen das pulsierende Leben während
der Stadtrundfahrt beobachten. Beim Abendessen bedankte
sich Gerhard Reisinger im Namen der Reisegruppe mit
herzlichen Worten und einem Geschenk
bei Hatto Weber und seinen Helfern.
Bei
der Heimfahrt ließ Hatto Weber die vergangenen Tage
Revue passieren. Hierbei wurde er von einem Mitreisenden
unterstützt, der während der Fahrt ein passendes
Gedicht aus dem Ärmel zauberte.
So
wird jedem sicher noch mehr einfallen, als hier im
Bericht zu lesen ist; was
jedoch allen bleiben wird, ist die Erinnerung an eine
herrliche, wilde Landschaft in bunten Farben, mit tiefen
Schluchten und bizarren, hoch aufragenden Felsen, mit
mittelalterlichen Dörfern und Kirchen und nicht zuletzt
an eine gute Gemeinschaft während dieser Reise.