Das
Ziel der Wander- und Kulturreise, die der Schwäbische
Albverein Gemmrigheim für das Jahr 2009 angeboten
hatte, war der oberitalienische Comer See. Wie bei
den letzten Reisen war auch dieses Mal das Interesse
groß, als Werner Häring das Programm vorstellte,
das er wieder zusammen mit Hatto Weber vom Reisebüro
Heideker ausgearbeitet hatte.
Obwohl
das Aufstehen zu nachtschlafender Zeit nicht
jedermanns Sache ist, vor allem an einem
regnerischen Morgen, hatten sich alle Teilnehmer pünktlich
eingefunden und nach kurzer Inspektionsrunde, ob
wirklich kein Koffer oder Rucksack mehr im Nebel
steht, konnte der vollbesetzte Bus in Richtung
Italien losfahren.
Bei
Ulm war Fahrerwechsel und mit Hallo wurde Hatto
Weber begrüßt, kannten ihn doch die meisten von
den früheren Wanderreisen her. Seine sichere
Fahrweise, sein Wissen um Land und Leute, sein
Improvisationstalent und nicht zuletzt sein unerschöpflicher
Vorrat an humorvollen Hinweisen zur Anschnallpflicht
machen ihn zu „dem“ Reiseleiter.
Das
angestimmte Morgenlied konnte die Sonne nur zögerlich
hervorlocken, (vielleicht weil der Gesang noch etwas
dünn erklang?), aber beim nächsten Halt hatte sie
den Nebel überwunden. Rasch wurde ein kleiner Tisch
aufgestellt, die mitgebrachten Brezeln sollten mit
Butter bestrichen werden– wo hatte man denn bloß
die Messer verstaut? – aber schließlich konnten
sich alle mit Brezeln und einem Fläschchen Wein für
die nächsten Stunden stärken. Selbst für den
morgendlichen Vitaminstoß war gesorgt, der
mitreisende Fachmann für Obstbau hatte eine ganze
Kiste leckerer Äpfel gespendet.
Über
Lindau, durch den Pfändertunnel und das Fürstentum
Liechtenstein – dachte da jemand laut an
Schwarzgeld? – vorbei an der alten Bischofsstadt
Chur, wand sich die Straße hinauf zum Julierpaß.
Vor kurzem musste es hier geschneit haben, an den
Straßenrändern hatten die Räumfahrzeuge kleine
Schneehaufen angeschoben. Die Hospiz-Gebäude auf
der Paßhöhe waren nicht geöffnet, aber die alten
Römer hatten genügend Stelen hinterlassen, die
manchem von Nutzen waren. Der frische Schnee
lieferte nicht nur Material für Schneeballen,
sondern sorgte auch für Probleme, denen selbst ein
Schweizer nicht gewachsen war. Dieser hatte einen
riesigen hölzernen Steinbock auf seinem Autodach
befestigt – was allein schon die Aufmerksamkeit
auf sich zog – und versuchte verzweifelt, aus dem
verschneiten Parkplatz auf die schneefreie Straße
zu gelangen. Als alle Versuche fehlschlugen, packten
die Schwaben an und mit Hauruck hievten sie Auto
samt Steinbock aus dem Schnee.
Nach
diesem kleinen Intermezzo fuhr der Bus dem mondänen
Kurort St. Moritz entgegen. Auf dem Bahnhofsvorplatz
nutzte man die Zeit bis zur Abfahrt der Bernina-Bahn
zu einer Kaffeerunde. Die Sonne strahlte vom
wolkenlosen Himmel, als sich der Zug der Paßhöhe näherte.
Den Fotografen, und allen anderen natürlich auch,
blieb fast die Luft weg vor Begeisterung über die
grandiose Landschaft. Sie hasteten von einem Fenster
zum andern, wenn ein „ooh, guck schnell“ ertönte.
Sei es hier ein Wasserfall, der von einem schroffen
Felsen stürzt, dort ein riesiger Stausee oder der
Morteratsch-Gletscher, schneebedeckte Bergeshöhen
oder Lerchenwälder in ihren Herbstfarben, das
Zugende oder eine entgegenkommende Bahn, alles wurde
auf Speicherchips gebannt. Der Heideker-Bus, der
immer wieder auftauchte, lieferte sich
ein Wettrennen mit dem Zug, zum großen Spaß
der Passagiere. Nach fast 60 Kilometern hieß es in
Campocologno aussteigen zur Weiterfahrt mit dem Bus
nach Colico am Comer See, wo die Reisegesellschaft
in einem Hotel direkt am See Quartier bezog. Nach
einem üppigen Abendessen wurde es bald ruhig im
Hause, denn morgens sollte man ja fit sein für die
erste große Wanderung.
Ein
bisschen hektisch begannen die Vorbereitungen für
den langen Tag. Es musste eingekauft werden für das
Picknick, -
reichen Wurst, Käse, Brötchen für alle? – dann
brach in den Arkaden des Hotels geschäftiges
Treiben aus, es wurde geschnitten, gestrichen,
belegt und
eingepackt. Am Bus, etwas entfernt geparkt,
versorgten sich die Wanderer noch mit Getränken und
gemeinsam – fast gemeinsam, denn besonders Eilige
waren schon vorausgegangen – ging es zum Bahnhof.
Die Heizung im Pendelzug nach Abbadia Lariana
arbeitete nach
einem undurchschaubaren Prinzip, denn während im
einen Waggon die Reisenden ins Schwitzen kamen,
entstiegen einem anderen durchgefrorene Passagiere.
Leider war fast überall die Sicht nach draußen
verwehrt durch total zugeschmierte Fenster, und bei
den Zugfahrten in den nächsten Tagen war mancher
Kontrolleur verstört über die Vielzahl der Leute,
die keine Fahrkarte vorzeigen konnten und immer auf
den „Capo“ verwiesen, der irgendwo im nächsten
Waggon saß.
Und
dann ging`s zur Sache: durch den alten Ortskern in
Abbadia Lariana, vorbei an der Kirchenruine
San Martino, führte
der Weg, einem uralten Schmugglerpfad folgend, steil
bergauf. Bald stellte sich die bange Frage: geht`s
so steil auch wieder bergab? In der Tat, so sollte
es kommen, aber vorerst durchwanderte man Wiesen,
Obstgärten, Wälder und kleine Orte, die einen
geheimen Reiz ausüben. Ständig von aufgeregtem
Hundegebell begleitet, suchte man vergeblich nach
vergessenen Feigen auf den Bäumen am Wegesrand.
Begehrliche Blicke richteten sich auf die leuchtend
orangefarbenen Kakifrüchte, die leider noch nicht
richtig reif waren, so dass man mit Bedauern an den
brechend voll hängenden Bäumen vorbeigehen musste.
Aber die Naturfreunde wurden trotzdem fündig: Unzählige
Maronen lagen in den Wäldern auf den Wegen, und
einmal angefangen zu sammeln, gab es bei manchen
kein Halten mehr!
Die
alten Dörfer bergen oftmals überraschende
Kulturdenkmale, wie in Maggiana, wo der trutzige
„Torre Federico“ einst Friedrich Barbarossa
beherbergt haben soll. Hier in den Bergen ging auch
ein dunkles Kapitel der italienischen Geschichte zu
Ende: Mussolini wurde gefangen genommen und
umgebracht.
Für
alle, die nicht auf dem Land aufgewachsen sind,
waren die offenen Waschhäuser mit steinernen Trögen
ein seltsamer Anblick. Offensichtlich werden sie
auch heute noch von den Dorfbewohnerinnen benutzt.
Es ist zu vermuten, dass diese Einrichtungen auch
weiterhin bestehen bleiben, kann man doch den
Waschtag mit ein bisschen Dorfklatsch aufpeppen. Die
Wanderer müssen jedoch mit einem ungelösten Rätsel
weiterleben: Was bedeuten die vollen Wasserflaschen
in den Ecken der Hauseingänge? Die Vermutungen
gingen von Nachbarschaftshilfe über Blumengießwasser
bis hin zu Katzenvertreibungsmittel – aber wie
gesagt, es bleibt das Geheimnis der Dorfbewohner.
Kleine
Kirchen, einem Heiligen geweiht, tauchen unvermutet
in der Landschaft auf, bei genauem Hinschauen kann
man ab und zu verblichene Fresken an der Außenwand
entdecken wie bei dem alten Kirchlein San Giorgio.
Hier wurde eine kurze Pause eingelegt, um das Flüssigkeitsdepot
des Körpers nach dem anstrengenden Aufstieg erneut
aufzufüllen. Dabei konnte man die wunderbare Sicht
auf den See in Ruhe auf sich wirken lassen.
Beim
Mittagsvesper auf dem Dorfplatz vor der kleinen
Kirche in Rongio wurden neue Kräfte mobilisiert.
Eine Katze interessierte sich mehr für die Gruppe
als die Bewohner des Ortes, wenngleich sie die
Wurstzipfel, die ihr angeboten wurden, verschmähte,
schließlich hat man ja auch als Katze seinen Stolz!
Bis
der Abstieg auf schmalen Pfaden in die verwunschene
Meria-Schlucht und auf der gegenüber liegenden
Seite der steile Aufstieg geschafft waren, flossen
viele Schweißtropfen und manche Knie nahmen das Auf
und Ab ziemlich übel. An diesem Tag war man dankbar
dafür, dass die Sonne Pause gemacht hatte. Endlich
war man in Lierna wieder am See, einige unternahmen
noch einen Rundgang durch den Ortsteil Castello, der
auf einer kleinen Halbinsel liegt, während andere
eine Kaffeepause einlegten. Dann bestiegen
die Wanderer den Zug nach Colico, wo sie nicht mehr
ganz so munter im Hotel ankamen, wie sie es
verlassen hatten.
Die
Picknick-Vorbereitungen am nächsten Morgen
liefen generalstabsmäßig ab, alle Wanderwilligen
waren „an Bord“, und los ging die Fahrt hinüber
zum westlichen See-Ufer. Unterwegs stiegen zwei
„Anhalter“ zu, Werner und Lieselotte Dietz aus
Gemmrigheim, die sich am Comer See ein zweites
Domizil geschaffen haben. Obwohl schon seit Jahren
mit den dortigen Örtlichkeiten vertraut, ließen
sie sich`s nicht nehmen, mit Freunden und Bekannten
an den Wanderungen teilzunehmen.
In
Rezzonico war der einzig mögliche Busparkplatz von
Baustellenfahrzeugen blockiert, so dass Hatto Weber
kurzerhand das Programm änderte und Cadenabbia,
Adenauers geliebten Ferienort, ansteuerte. Hier
trennten sich die Geister – sprich Wanderer. Bei
leichtem Regen schlenderte eine Gruppe hinauf in den
alten Ortsteil, von dort aus zog es den „harten
Kern“ noch höher hinauf zur weithin sichtbaren
St. Martins-Kirche. Der herrliche Blick von dort
oben war wetterbedingt allerdings leicht getrübt.
Die Kulturbeflissenen wandten sich der Villa
Carlotta zu, spazierten durch den dazugehörenden
herbstlichen Park und konnten auf dem Rückweg zum
Bus den bocciaspielenden Adenauer in Bronze
bewundern.
Nun
wurde es aber Zeit zum Mittagsvesper. Zurück in
Rezzonico hatten die Bauarbeiter wohl ebenfalls
Pause, denn der Parkplatz war wieder frei. Unterhalb
der mittelalterlichen Scaliger-Burg fand sich direkt
am See ein idealer Platz, wenn auch ein paar Stühle
nicht eigens für die Wanderer aufgestellt waren,
doch die Besitzerin überließ die Sitzgelegenheiten
großmütig den Fremden, die offensichtlich Größeres
vorhatten.
Wie
recht sie hatte! Denn es ging einmal mehr bergauf,
entlang der „Antica strada Regina“, die zum Teil
noch gepflasterte Pfade aus früheren Jahrhunderten
aufweist, vorbei an halb verfallenen Häusern, die
jedoch zum Teil wieder bewohnbar gemacht werden.
Kapellen an exponierter Lage
und schlichte Gebetstellen weisen auf die Frömmigkeit
der Bewohner in der Bergregion hin. Oft wäre man
noch gerne viel länger stehengeblieben, um den überwältigenden
Blick auf den See, hinunter nach Bellagio bis hinüber
ans andere Ufer auszukosten, jedoch der frühe
Nachmittag drängte zum Weitergehen. Nach dem
steilen – wie könnte es anders sein – Abstieg
erreichte man Nobiallo, einen kleinen Ort, dessen
Kirchturm in bedenklicher Schieflage ist. Aber
vielleicht wird er von dem Heiligen, dem die Kirche
geweiht ist, kräftig gestützt.
In
Mengaggio reichte es immerhin noch zu einem Kaffee,
bevor sich wieder zwei Gruppen bildeten. Das Tragflächenboot,
mit Anlegestelle in Colico fast vor der Haustür,
verlockte einige zu der kurzen Überfahrt, aber
damit der Bus nicht ohne Fahrgäste unterwegs war,
entschloss sich der verbliebene Rest der Wanderer
zum Mitfahren.
Nachdem
es fast die ganze Nacht geregnet hatte, war das
Timing, einen Ausflug nach Bergamo zu unternehmen,
perfekt. Auf der Fahrt durch die Po-Ebene gaben
Experten dem Fahrer wertvolle Hinweise zur
Verbesserung des Busses. Ob sie allerdings ernst
genommen werden, ist fraglich. Leider hatte der
Himmel kein Einsehen, als man sich zur Stadtführung
aufmachte, sondern ließ es weiterhin regnen. Aber
was machte das schon aus -weiß man doch schon
lange, dass alles nur an der richtigen Kleidung
liegt! Mit dem Aufzug gelangte man in die
sehenswerte Oberstadt, hörte zwar nicht immer, was
die Stadtführerin erzählte, aber in den alten
Gassen gab es auch so viel zu sehen. Der Dom mit
seiner prächtigen Ausstattung und den wertvollen
Kunstschätzen war der Höhepunkt der
Stadtbesichtigung. Die Überraschung war gelungen,
als man sich im Terminal des Aufzugs versammelte und
nicht wie erwartet in die moderne untere Stadt zurückfuhr,
sondern von den Organisatoren in ein Lokal mit Blick
über Bergamo eingeladen und mit
typischen Köstlichkeiten aus der Küche verwöhnt
wurde. So gestärkt konnte jeder noch einmal auf
eigene Faust durch Bergamo flanieren.
Um
der – nach eigener Einschätzung - unkomplizierten
Gruppe eine Freude zu machen, setzte Hatto Weber bei
der Heimfahrt noch ein Highlight drauf – statt
durch die zahllosen Tunnels der Schnellstraße zu
fahren, nahm er die Uferstraße, wohlwissend, dass
es für ihn andersrum einfacher gewesen wäre. Die
Wanderer konnten natürlich die
Fahrt durch malerische Dörfer mit steter
Sicht auf den See genießen, und als noch das
Abendrot auf den schneebedeckten Bergspitzen
leuchtete, war das Wanderglück vollkommen.
Ein
besonderer Gag erwartete die Heimkehrer: Das Essen
an diesem Abend musste sich jeder erst verdienen,
mit einer kleinen Wanderung – bergauf, versteht
sich. In dem Lokal, fast über den Wolken, brannte
ein gemütliches Feuer, der Duft von Gebratenem lag
verlockend in der Luft und bald hatte jeder einen
vollen Teller vor sich stehen. Da der Heimweg leicht
zu finden war – halt den Berg wieder hinunter –
brauchte derjenige, der früher ins Bett wollte, nur
einen Begleiter mit Taschenlampe oder jemand, der
ihm festen Halt gab. Dass alle im Hotel irgendwann
wohlbehalten angekommen waren, zeigte sich am nächsten
Morgen. Da brach die ganz normale Hektik aus, denn
im Gegensatz zum Bus wartet auch in Italien der Zug
nicht auf die Reisenden. Dieses Mal war im
malerischen Varenna Endstation.
Nicht
alle Teilnehmer konnten von der Uferpromende aus den
Blick über den Lario, wie der Comer See von
Einheimischen genannt wird, genießen – zwei
„Schatzsucher“ erkundeten hier mit GPS-Gerät mögliche
Verstecke. Und ihr Eifer wurde belohnt, der
„Schatz“ wurde aufgespürt und mit Stolz in ein
Verzeichnis eingetragen. Nach diesem Erfolgserlebnis
konnten sie sich wieder getrost ihren eigentlichen
Aufgaben als Mit-Wanderführer zuwenden.
Einen
Umweg zur Quelle des kürzesten Flusses in Italien
nahm man gerne in Kauf. Der Fiumelatte mit einer Länge
von nur 300 Metern entspringt in einer tiefen
Grotte. Er macht seinem Namen „Milchfluss“ alle
Ehre, denn weißschäumend ergießt er sich in den
See.
Fast
hätte man geglaubt, dass es auf ebenen Wegen
weitergeht, dass dem nicht so war, stellte sich bald
heraus, denn die Burg, die als Rastplatz für die
Mittagspause ausgesucht war, grüßte aus stolzer Höhe.
Mit vielen Verschnaufpausen, die ja auch immer
Gelegenheit gaben, die Landschaft zu bewundern, die
sich nach jeder Biegung wieder anders präsentierte,
erreichte man den geräumigen Burghof. Hier hat sich
eine Falknerei etabliert, Adler, Falken und eine
unbeweglich sitzende Schleiereule zeigten den
Besuchern durch Flugversuche und Gekrächze, wer
hier der Herr ist. Ein traumhafter Rundblick ließ
die Anstrengung vergessen, und als zum Aufbruch
gemahnt wurde, wurde das „allerletzte“ Foto
aufgenommen oder man blieb „nur noch kurz“
stehen, um sich diese wunderschöne Aussicht einzuprägen.
Nachdem
auch die Schatzsucher nach längerem Umherirren zum
zweiten Mal fündig geworden waren,
stieg man durch den „Hexenwald“ ab nach
Bellano, einige beendeten die Wanderung und fuhren
mit dem Boot hinüber nach Bellagio, bekannt als die
„Perle am Comer See“. Für die anderen ging es
weiter bis nach Dervio, wo in Bahnhofsnähe noch
Zeit für ein Bierchen oder einen Kaffee war. Etwas
befremdlich war, dass in dem Café ausschließlich Männer
saßen, was zu der berechtigten Frage Anlass gab, ob
hier Frauen unerwünscht seien. Dies wurde vehement
verneint und mit Maurizio am Nebentisch wurde
schnell Freundschaft geschlossen. Mit beiderseitigen
guten Wünschen verabschiedete man sich, um
rechtzeitig am Bahnhof zu sein.
Wie
schnell doch die Woche, übervoll mit Erlebnissen,
vergangen war -
der letzte Tag war angebrochen. Zugfahren und
Kontrolleure überzeugen war schon Routine und so
verließ man gut gelaunt in Dervio die – an diesem
Morgen überall warmen – Abteile. Das
mittelalterliche Corenno mit seinen engen Gassen und
steilen Treppen ließ schon ahnen, dass es demnächst
noch steiler ansteigen würde. Auf den alten
Wanderwegen passierte man verfallene Mühlen, welche
einst von den Sturzbächen aus den Bergen mit Wasser
versorgt wurden. Die Wasserläufe sind immer noch
da, von den Mühlen zeugen oft nur noch die
Mahlsteine. Die Wanderer wunderten sich jedoch, dass
in manchem alten Gemäuer offensichtlich Vieh
gehalten wird, was eindeutig an Geruch und Misten
belegbar ist. Eine Aussicht wie aus dem Bilderbuch
präsentierte sich in Mandonico, wo die verlassenen
trutzigen Steinhäuser nach und nach wieder
renoviert werden.
Steil,
steiler, am steilsten – so zog sich der Weg hinauf
zur Kirche San Rocco, wo ein großzügig angelegter
Picknickplatz zeigte, dass nicht nur Wanderer die
Strapazen hier herauf in Kauf nehmen. Auch von
diesem Punkt aus bietet sich eine Sicht an, die schöner
nicht sein könnte.
Jetzt
wurden aber die Rucksäcke aufgeschnürt und das
Vesper mit gutem Appetit verzehrt. So konnten die
meisten viel leichter weiterwandern, wenn sich auch
der eine oder die andere mit Taschen voller Maronen
erneut Gewicht aufgeladen hatte.
Durch
Wiesen und Wälder ging es zurück nach Colico, wo
man mit geheimnisvollen Andeutungen zur Eile
aufgefordert wurde. Umziehen? Aber was? Welche
Schuhe, welches Outfit? Keiner wusste so recht
Bescheid, aber schließlich saßen alle wieder im
Bus, der zur Westseite des Sees fuhr und unterwegs
Werner und Lieselotte Dietz mitnahm. Dann hieß es
„nur“ noch eine Viertelstunde zu Fuß, ein
bisschen bergauf, dann…. Die Viertelstunde war
wohl mit dem Auto berechnet, aber als alle etwas außer
Atem auf der Höhe ankamen, war die Überraschung
wieder mal perfekt. Werner Dietz hatte seine guten
Verbindungen spielen lassen und den Besitzer eines
Weingutes, hoch über dem See gelegen,
überzeugen können, dass sich lauter
Weinkenner unter seinen Landsleuten befanden.
Eine
exzellente Weinprobe wurde geboten, die zusammen mit
leckeren Spezialitäten vergessen ließ, dass im
Hotel auch noch das Abendessen wartete. Eigentlich
sollte man nicht…, aber niemand konnte
widerstehen. Nach Kellerbesichtigung, Weinkauf
und dem letzten Schluck sprach man dem
Hausherrn und seiner Familie einen herzlichen Dank
aus, den Werner Dietz gerne übermittelte, dieser
Dank galt aber auch ihm, der diesen Event ermöglicht
hatte.
Erstaunlich,
dass man nach kurzer Zeit wieder in der Lage war,
sich das Abendessen „daheim“
schmecken zu lassen. Der Tag voller
Ereignisse neigte sich dem Ende zu, die Koffer
mussten gepackt werden, denn am frühen Morgen
sollten sie verladen werden. Dann hieß es endgültig
Abschied nehmen vom Comer See. Etwas wehmütig
gestimmt, konnte man im Vorbeifahren noch zum
letzten Mal den Blick über den See in der
Morgensonne schweifen lassen. Am Lago Mezzola
vorbei, in dem sich der Monte Legnone spiegelte,
hinein ins Bergell, durch Chiavenna, fuhr der Bus
auf kurvenreichen Straßen dem Majola-Paß entgegen.
Auf der Paßhöhe gab es einen kurzen Stopp, um den
Fotografen Gelegenheit zu geben, die herrliche
Gebirgswelt bei strahlendem Sonnenschein für`s
Album zu verewigen. Der Corvatsch, Sils Maria,
Silvaplana, St. Moritz, die Bernina-Gruppe, Davos,
lauter Namen, die schon beim Drandenken
Kalenderbilder in den Kopf zaubern.
Und
zum letzten Mal gab es noch ein Extrabonbon: Vier
Geburtstags“kinder“, die während der Reise –
fast gleichzeitig – Geburtstag hatten, luden zu
einem Ständerling mit Sekt und Grappa ein, danach
konnte die Zeit, bis im „Heidiland“ Halt gemacht
wurde, gut überbrückt werden.
Bis
nach Gemmrigheim war es noch weit, in Gedanken ließ
man die vergangenen Tage Revue passieren
– die alten Dörfer am See, die Wanderwege,
die so unwahrscheinlich schöne Ausblicke boten, die
Kirchlein hoch oben in den Bergen, Wiesen und Wälder
mit ihrer
vielfältigen, mediterranen Vegetation – es war
einfach wunderschön.
Wie
viel vorbereitende Arbeit hinter einer solchen Reise
steckt, kann man sich vorstellen, daher kam das
herzliche Dankeschön an die
Verantwortlichen, allen voran Werner Häring und
Hatto Weber, aus vollem Herzen.