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Wanderreise
Sardinien 2008
Gut
gelaunte Reisende stiegen vor kurzem aus dem Bus, der
sie von einer Wanderreise auf Sardinien zurückbrachte.
Der Albverein Gemmrigheim hatte zu dieser
interessanten Ausfahrt eingeladen und schon bei der Präsentation
im vergangenen Herbst übertrafen die Anmeldungen die
Aufnahmekapazität. Doch wie meistens bei langer
Vorplanung ergaben sich etliche Verschiebungen, so
dass auch diejenigen auf der Warteliste noch eine
Chance hatten.
Das
Reisefieber hatte manche früh aus den Betten geholt,
denn am Morgen der Abfahrt standen schon Koffer da,
als der Fahrer eintraf. Mit Herrn Weber vom Reisebüro
Heidecker, Busfahrer, Reiseleiter und
„Geschichtslehrer“
in einer Person, wurde der weite Weg in den Süden
nicht langweilig, erklärte er doch immer wieder
nebenbei Landschaft und geschichtliche Hintergründe.
Beim zweiten Frühstück – das erste war schließlich
schon lange her - mit frischen Brezeln und einem Fläschchen
Wein wurden die Lebensgeister wieder munter und das
schöne Wetter tat ein Übriges, um gute Laune zu
verbreiten. Unterwegs passierte man die großen
Schweizer Seen, die im strahlenden Sonnenlicht glänzten,
die weite Po-Ebene und erreichte am Abend Genua. Von
dort aus sollte es mit der Fähre nach Porto Torres
gehen. Aber vorher war noch genügend Zeit, im
Hafengelände ein zünftiges Vesper zu verzehren. Die
Abschrankungen an den Zufahrten zur Fähre waren
bestens als Sitzplätze geeignet und aus den
vorbeifahrenden Autos trafen manche neugierige Blicke
dieses „Sit-in“.
Eine
Überraschung stand jedoch bevor – die Fahrtroute
war kurzfristig geändert worden und so landeten die
Reisenden nicht wie vorgesehen in Porto Torres im
Westen von Sardinien, sondern in Olbia im Osten. Das
brachte natürlich das Programm durcheinander, aber
– man ahnt es schon – Herr Weber meisterte die
Situation in gewohnter Weise. Zunächst jedoch riss am
frühen Morgen die mehrsprachige Aufforderung, die
Kabinen umgehend zu verlassen, die Passagiere unsanft
aus dem Schlaf. Hastig wurden die Habseligkeiten
verstaut, um ja rechtzeitig von Bord gehen zu können,
aber – Eile mit Weile – das Landemanöver hatte
gerade erst begonnen. Doch schließlich
konnte der Bus das Hafengelände in Richtung Costa
Smeralda verlassen, und beim Halt an einer Straßenbucht
mit wunderschöner Aussicht auf das Küstengebiet
wurden die Wanderfreunde mit einem Frühstück verwöhnt,
bei dem es an nichts fehlte. Wer dennoch Lust auf mehr
hatte, konnte nebenan am Stand eines Händlers
sardische Spezialitäten einkaufen. Bald darauf lag im
Sonnenschein die berühmte Costa Smeralda vor den
Augen der Reisenden. Vor wenigen Jahrzehnten noch eine
unwirtliche Küstenregion, wurde das Gebiet unter der
Regie von Karim
Aga Khan, dem geistlichen
und unermesslich reichen Oberhaupt der
Ismaeliten, für den Tourismus erschlossen. Auflage für
alle Baumassnahmen war die Anpassung der Gebäude an
die Landschaft, keine Hochbauten stören hier den
Gesamteindruck. In Porto Cervo, dem
Hauptort der Region, vor Jahren in altertümlichem
Stil aus dem Boden gestampft, mit eleganten Geschäften
in gepflegter Umgebung, weißen Jachten und
Segelschiffen im Hafen und in den kleinen Buchten, fühlte
man sich umgeben vom Hauch der großen Welt. Doch auch
hier ist eine Waffel mit Eis eine willkommene
Erfrischung! Ein kurzer Blick noch in die kleine
Kirche Santa Maria di Stella, leider konnte die
wertvolle Einrichtung nicht bewundert werden, da
gerade Gottesdienst abgehalten wurde. Weiter ging die
Fahrt, vorbei an Baia Sardinia, einem beliebten
Badeort. Immer wieder gab es fantastische Ausblicke
auf den Maddalena-Archipel, und aus der Ferne grüßten
die weißen Kalkfelsen von Korsika. Nach einem
Abstecher zum Bärenfelsen, einem Granitblock, den
Wind und Wetter derart abgeschliffen haben, dass er
aus der Ferne betrachtet einem riesigen Bären
gleicht, machte man sich, gestärkt durch die Bordküche,
nach kurzer Fahrt bereit zu einer längeren Wanderung
entlang der Küste durch die Macchia. Diese
mediterrane Strauchformation setzt sich zusammen aus
vorwiegend immergrünen Pflanzen wie Baumheide,
Erdbeerbaum, Wacholder, Zistrosen und aus stachligen
Wolfsmilchgewächsen. Waldbrände und Raubbau begünstigte
die Ausbreitung der Macchia, die dem Wanderer schon
manchen Kratzer eingebracht hat. Plötzlich gab es am
Strand ein großes Hallo, denn – man glaubt es kaum
- man traf auf Bekannte aus der Heimat. Noch eine Abkühlung
im klaren Wasser für die heißgelaufenen Füße, dann
hieß es weitergehen. Der Bus erwartete die Wanderer
in einem kleinen Ort am Meer und wieder war es ein
leckeres Eis, das die Lebensgeister auf Vordermann
brachte, und als man das erste Ziel der Reise, Isola
Rossa, erreicht hatte, waren die Anstrengungen schon
vergessen. Im Hotel wurde nach einem freundlichen
Empfang das Essen serviert. Mit Vorspeise, Suppe,
Pasta, Hauptgericht, Dessert, Obst und Wein
war es so reichlich, dazu so köstlich, dass
mancher Gürtel heimlich gelockert wurde.
Am
Morgen – und auch an den folgenden - traf man sich
vor dem Frühstück zu einem gemein- samen Lied und
ein guter Wunsch begleitete die Teilnehmer durch den
Tag. Eine Bergwanderung war angesagt und der Bus
kurvte auf engen Straßen in Richtung Limbara-Gebirge.
Fast noch enger als auf freier Strecke war die
Durchfahrt durch Aggius, einer Stadt ganz mit
Granitsteinen erbaut. Die kleinen Balkone, welche die
Häuser zur Straße hin schmücken, kamen dem Bus oft
gefährlich nahe. Eine neue Ansicht der
facettenreichen Insel tat sich auf, als man eine
menschenleere Gegend durchquerte, in der die schroffen
Felsen aus rosa und grauem Granit, die aus der
undurchdringlichen Macchia ragen, an eine
Mondlandschaft erinnern. Dazwischen wachsen
Korkeichen, die mit den geschälten, rot gefärbten Stämmen
und der grünen Krone seltsam anmuten. Nach Tempio
Pausania, der Stadt der Teppichweber und
Mineralquellen, ebenso wie Aggius aus dem grauem
Granit der Region erstellt, wand sich die Straße in
Serpentinen hoch zum Gebirge. Nur wenige Höhenmeter
vom Gipfel des Monte Limbara entfernt, wurden die
Wanderschuhe und das „Ränzlein“ geschnürt.
Ein kurzer Spaziergang führte noch zu der
Statue einer Madonna, die segnend die Hand über das
Land streckt, dann machten sich die Wanderer auf den
Weg in die Berge. Die nötigen Trinkpausen boten die
beste Gelegenheit für einen Blick über Land und
Meer, war doch beim Weitergehen mehr auf den Weg zu
achten als in die Weite. Zur Mittagszeit erreichten
die Wanderer einen Parkplatz, wo fleißige Hände
schon das Picknick vorbereitet hatten. Bei der
romanischen Kirche einer ehemaligen Abtei in Tergu,
aus rotem Trachyt und weißem Kalkstein errichtet,
wurde ein Fotostopp eingelegt. Dann war man gespannt,
was es mit dem Elefantenfelsen auf sich hat, der als nächstes
Ziel angesteuert wurde. Und tatsächlich, Wind und
Wetter haben aus dem Felsen, der einsam neben der
Straße aufragt, einen Elefanten geformt. Die Nuragher,
ein Volk der Vorzeit, hatten ein Weiteres getan, indem
sie den Felsen für die Urnen ihrer Toten durchlöcherten.
Selbst wenn man im Bus sitzt, ermüdet man allmählich
von den vielen Eindrücken und freut sich auf eine
erfrischende Dusche im Hotel.
Auch ein Busfahrer braucht mal – gesetzlich
vorgeschrieben - einen autofreien Tag, das heißt aber
nicht, dass er die Reisenden sich selbst überlässt.
Eine gemütliche Küstenwanderung sollte es werden,
als Herr Weber in gewohntem Tempo vorausging. Am
Meeresufer fanden die „Strandläufer“ viele
Muscheln und Steine, die es wert waren, genauer
betrachtet zu werden und doch wieder verworfen wurden
- es könnten ja noch schönere kommen. Bald verließ
man den Sandstrand und kraxelte über die Klippen,
kletterte mehr oder weniger elegant über
verschlossene Tore und Zäune; schließlich hatte man
auf einem Umweg wieder den Strand vor sich. Genüsslich
wurde das Picknick am Meer, vom bewährten „Küchenpersonal“
zubereitet, verzehrt und dann fielen die Hüllen –
wenigstens teilweise. Das Ufergebüsch diente als
Umkleidekabine um wer sich nicht ganz ins Wasser
traute, zog Schuhe und Strümpfe aus, stülpte die
Hosen hoch und watete durchs kühle Nass. Der Sand war
halbwegs abgeschüttelt, als der Weg zum Hotel
angetreten wurde. Es war noch früh am Tag und „es
rauschet das Meer, es ladet zum Bade“, einige
folgten dieser Einladung umgehend und ließen sich von
leichten Wellen forttragen. Aber es fanden sich auch
andere, die noch eine kurze, aber anspruchsvolle
Klippenwanderung unternahmen, bei der Kletterkünste
durchaus von Nöten waren. Am Morgen hieß es Abschied
nehmen von Isola Rossa und dem Hotel, in dem sich alle
sehr wohl gefühlt hatten.
Der Bus steuerte das Festungsstädtchen Castelsardo
an, das auf einer Landzunge hoch über dem Meer liegt
und schon von weitem sichtbar ist. Einst wurde die
Festung unter der Genueser Familie
Doria als Castel Genovese im Jahre 1102 gegründet.
Als Jahrhunderte später die Spanier die Stadt
eroberten, wurde der Name in Castel Aragonese umgeändert.
Erst mit dem Ende der spanischen Herrschaft erhielt
Castel Sardo den heutigen Namen. Durch das Gewirr der
steilen Treppen und engen Gassen findet man schließlich
den Weg zum Museum, wo typische Flechtarbeiten
ausgestellt sind. Einen Besuch wert ist vor allem die
uralte Kirche, die Kunstwerke aus vielen Epochen
beherbergt. In Alghero, umgeben von einer gut
erhaltenen wuchtigen Stadtmauer mit trutzigen Wachttürmen,
hatte man Zeit für einen ausgedehnten Bummel. Alghero
ist heute noch die spanischste Stadt in Sardinien, der
katalanische Dialekt wird gepflegt, aber italienisch,
die Sprache des ungeliebten Mutterlandes, ist natürlich
auch hier Amtssprache. In ehemaligen katalanischen
Stadtpalästen sind heute Schmuckläden, Boutiquen und
Feinkostläden untergebracht. Wer wollte, konnte noch
einen Blick in die Kirche San Francesco werfen, die im
15. Jahrhundert entstanden ist und als schönster
sakraler Bau in Alghero gilt oder die Kathedrale Santa
Maria besuchen. Berühmt
sind auch die Korallenbänke, die sich hier an der Küste
erstrecken, durch Raubbau fast ganz zerstört wurden
und heute unter strengem Naturschutz stehen.
Auch wer in der Stadt einem leckeren Imbiss nicht
widerstehen konnte, langte beim „Bus-Picknick“ mit
Tomaten und Mozzarella kräftig zu. Die paar Reste
waren schnell verstaut und die Reise übers Land
konnte weitergehen. Auf
der atemberaubend schönen Küstenstraße, hoch über
den felsigen Ufern, mit herrlicher Sicht auf das Meer,
auf die Buchten mit hellem Sand und die vorgelagerten
Inseln, gelangte man nach Bosa. Granitfelsen, wie von
Riesenhand hingewürfelt und wunderliche Formen
bildend, geben der Phantasie freien Lauf. Aufatmend
spendeten die Reisenden dem Fahrer Beifall, als die in
die hunderte gehenden Kurven in eine halbwegs gerade
Fahrbahn mündeten. Über die alte Brücke aus rotem
Trachyt kommt man in die Unterstadt von Bosa, wo man
auch bald vor der reich ausgestatteten Kathedrale
Maria Immacolata steht. Zwischen hohen Häusern führen
schmale Treppen hinauf zu Oberstadt. Leider war der
Zugang zur gewaltigen Burg über der Stadt versperrt,
dennoch hatte man auch aus halber Höhe einen
wunderbaren Rundblick. Nun hatte man nach einem munter
machenden Kaffee Zeit, die Eindrücke während der
Weiterfahrt quer über die Insel zu rekapitulieren,
bis man im Hotel Ispignoli bei Dorgali ankam. Für
zwei Nächte richtete man sich hier häuslich ein. Ein
bisschen Enttäuschung verspürte man, denn ganz so
herzlich wie in Isola Rossa wurde man nicht
aufgenommen. Aber der Ausflug am nächsten Tag ließ
das schnell vergessen.
Wieder befuhr der Bus eine spektakuläre Höhenstraße,
kurvenreich wie schon gewohnt, mit fantastischen
Ausblicken. Im Morgenlicht lag die dunkle
Goroppu-Schlucht vor Augen – wie gespenstisch mochte
sie erst am Abend wirken? Hinter dem Städtchen Baunei
bog ein schmaler Weg ab, der steil hinab zur Felsnadel
Pedra Longa führt. Mancher Autofahrer hätte seinen
Personenwagen wahrscheinlich lieber oben stehen
lassen, aber der Fahrer meisterte auch diese gefährliche
Abfahrt. Wieder hieß es, Sandalen aus, Wanderschuhe
an, Rucksack mit Getränken gefüllt und dann auf
schmalem Pfad, wo dornige Pflanzen vorwitzig die
Zweige ausstreckten, Wurzeln und Steine oftmals
Stolperfallen bildeten, hoch über der Steilküste zum
verabredeten Treffpunkt zu wandern. Die Sonne brannte
heiß auf die Wanderer, schattenspendende Bäume oder
Sträucher waren selten. Trotzdem ging es recht flott
voran, selbst ein Bergrutsch, der den Weg verschüttet
hatte, verursachte keinen längeren Stau, wenn man von
dem Fotostopp absieht. Auch kurzzeitig „verschlamperte“
Wanderer fanden sich wieder ein und vollzählig machte
man sich auf den Weg. Nichts beeinträchtigte die schöne
Aussicht auf das tiefblaue Meer, die man allerdings
nur bei einer kurzen Rast genießen konnte, beim Gehen
wäre es nicht sinnvoll gewesen, den Blick vom Weg
abzuwenden. Als es bergab ging, wusste man, dass das
Picknick in Santa Maria Navarrese nicht mehr weit sein
konnte. Und wirklich, das eingespielte „Küchenteam“
hatte sardische Spezialitäten schon aufgetischt. Zum
Abschluss gönnte man sich noch einen Cappucino oder
ein Eis an dem kleinen Stand über der Straße, direkt
am Meer und nachdem auch die Badenden wieder in
trockenen Sachen steckten, was zwar etwas umständlich
und nicht ganz jugendfrei vor sich ging, konnte die
Fahrt weitergehen. Die Straße wand sich in unzähligen
Kurven hinauf in die Berge, die Aussichten hätte man
gerne noch lange auf sich wirken lassen. Zum Spaß der
Reisenden umkreisten auf der Passhöhe einige Schweine
die Autos, um Futter zu ergattern, aber nicht jeder
Besitzer war begeistert, wenn sich die Tiere an seinem
Fahrzeug scheuerten. Der
kleine Souvenirladen dort oben quoll fast über, als
die Wanderer der Besitzerin die selbstgemachte
Marmelade aus Feigen, Pfirsichen oder Quitten
abkauften. Die Frage war nur, wie man alles in den
Koffern oder sonst wo verstauen würde, denn am Morgen
sollte das Gepäck in den Bus verladen werden, da noch
einmal das Hotel gewechselt wurde. Doch zunächst
hielt der Bus in Dorgali, um den Reisenden die Möglichkeit
zu weiteren Einkäufen zu geben, außerdem wollte Herr
Weber neue Vorräte für das beliebte Picknick
erstehen. In Dorgali beherrscht der dunkle Basalt das
Stadtbild, hier werden Handarbeiten, Teppiche und
Keramikarbeiten angeboten. Durch Straßen und Gassen
etwas verwirrt, gab es über den richtigen Treffpunkt
unterschiedliche Meinungen, aber schließlich fanden
sich alle wieder ein und der Anfang eines Kinderliedes
gab dem Fahrer wie immer das Zeichen zum Start.
Die Koffer waren morgens schnell verladen, ein
kurzer Blick noch einmal in die Zimmer, ob nichts
vergessen wurde, und los ging die Fahrt zur größten
Karstquelle Sardiniens. Glasklares Wasser sprudelt aus
den Felsspalten in einer romantischen kleinen Schlucht
und bildet den Fluss Gologone. An Zapfstellen füllen
sich Einheimische und Besucher ihren Wasserbedarf ab.
Nachdem auch die Wanderer die Qualität getestet und für
gut befunden hatten, wurden die Trinkflaschen mit
frischem Quellwasser gefüllt und die Reise konnte
fortgesetzt werden.
Gespannt war man auf das „Banditendorf“ Orgosolo
im Supramonte-Gebiet, bekannt durch die „Murales“,
die ganze Häuserfronten bedecken. „Murales“,
heute Graffitis genannt, waren und sind
Ausdruck der Bevölkerung, Landes- und Weltpolitik
sowie Verstöße gegen Menschenrechte und Natur in der
Öffentlichkeit anzuprangern. Die ältesten Malereien
wurden schon vor vielen Jahrzehnten angebracht und der
Tradition folgend, werden auch heute noch Proteste
gegen Mißstände deutlich an die Wand gemalt.
Das Tagesprogramm ging weiter mit der Fahrt auf die
kargen Hochebene von Pratobello, einem
Naturschutzgebiet, wo Schafe und Ziegen, manchmal Kühe
und halbwilde Pferde auf ausgetrockneten Weiden nach
Futter suchen, dazwischen Schweine, Kreuzungen
zwischen Haus- und Wildschweinen, die getupft,
gestreift und in vielen Farbvariationen lustig
anzusehen sind. Gelegentlich stoppte der Bus, weil ein
Ferkel auf der Vorfahrt beharrte. Auch Pillendreher,
weniger prosaisch Mistkäfer genannt, waren ein Foto
wert. Forstbeamte waren schnell zur Stelle, als in dem
großen Steineichenwald gepicknickt wurde. Aber nach
einer Unterschrift und dem Versprechen, kein Feuer zu
machen, stand der Wanderung zum Monte San Giovanni
nichts mehr im Wege. Der Aufstieg zu dem Felsen, von
weitem wie ein riesiger Backenzahn aussehend, wurde
mit einem überwältigenden Rundblick belohnt. Im
Schein der Nachmittagssonne rot leuchtend, grüßte
der Berg die Wanderer zum Abschied. Noch bei
Tageslicht erreichte man Fonni, dem letzten Aufenthalt
auf der Insel. Wer wollte, konnte noch im Eiltempo
auch hier „Murales“ bewundern. Da lehnt sich ein
altes Ehepaar über die Balkonbrüstung, dort dreht
eine Spinnerin die Spindel, gegenüber der alten
Kirche zieht eine Prozession über die Hauswand und
ein gefederter Bösewicht wird von finster blickenden
Wächtern abgeführt. In der „Hirtenhütte“ des
Hotels wurde das Essen serviert
und als Überraschung des Abends trat eine kleine
Folkloregruppe auf. Die beiden jungen Frauen steckten
in kostbaren, bestickten Kleidern, den Männern mit
der schwarzen eigenartigen Kopfbedeckung und dem
dunklen Fellumhang hätte man in diesem Aufzug nicht
unbedingt bei Nacht begegnen wollen. Der letzte Tag
auf Sardinien, von ihren Bewohnern stolz als eigene
kleine Welt bezeichnet, war angebrochen. Bei der Fahrt
quer durch das Land gab es noch viel zu sehen, so dass
man die Reise gerne um Tage verlängert hätte. Ein
kurzer Aufenthalt war in Losa eingeplant. Dort steht
der besterhaltene Nuraghe, ein Festungsturm, der in
vorchristlicher Zeit von den Nuraghern aus gewaltigen
Steinen erstellt wurde. Über 7000 solcher Türme sind
auf der Insel bekannt, sie sind jedoch zum Teil bis
auf die Grundmauern zerstört. In Losa zeugen die
Reste einer Ringmauer und einzelne noch vorhandene
Vorbauten von dem Umfang der wehrhaften Siedlung und
bei Ausgrabungen wurden Gegenstände gefunden, die
Hinweise auf die Siedler geben. Nicht weit entfernt
vom Cap Caccia wurde zum letzten Mal die „Bordküche“
aufgebaut und die aufgetischten Spezialitäten waren
im Handumdrehen verzehrt.
Immer wieder hatte man in den vergangenen Tagen
den mächtigen hellen Felsen aus der Ferne erblickt
und nun sah man von seiner schwindelerregenden Höhe
aus hinunter auf das tiefblaue Meer, auf dem weiße
Segelboote wie Papierschiffchen vorbeizogen. Gegenüber
der weiten Bucht des Naturhafens Porto Conte lag Punta
Giglio, dorthin war noch eine Wanderung geplant, aber
nicht nur, um überflüssige Kalorien abzubauen. Etwas
abseits der Küste führte der Weg zum höchsten Punkt
von Punta Giglio. Die Aussicht, die sich den
Wandernden dort bot, übertraf wieder alle
Erwartungen. Der Blick reichte weit über das Meer bis
hinüber nach Alghero, kleine Inseln und große
Felsbrocken wurden vom Wasser umspült und wieder
waren es Segelboote, die Bewegung in die Szene
brachten. Man konnte sich kaum trennen von der
fantastischen Kulisse, aber die Zeit schritt voran und
man wanderte am Meeresufer entlang zurück zum Bus. In
Porto Torres hieß es endgültig Abschied nehmen von
Sardinien. Die Fähre lag schon im Hafen und bei
leichtem Wellengang ging es in die Nacht hinaus nach
Genua, wo man bei Sonnenaufgang im Hafen einlief.
Bei
der Heimfahrt war die beste Gelegenheit, sich bei
Hatto Weber und Werner Häring, den beiden
Verantwortlichen, ganz herzlich zu bedanken, wobei
auch klar wurde, wie viel Zeit und Mühe in der
Vorbereitung zu dieser Reise steckten. Die Tage auf
Sardinien, der Insel mit den vielen Gesichtern, werden
durch unzählige
Fotos in der Erinnerung bleiben und man freut sich
schon jetzt auf ein Nachtreffen, bei dem das Erlebte
wieder lebendig wird.
Bericht:
Gerda Pfeiffer, Bilder: Alfred Ruff, Wolf Alber und
Werner Häring