Es gehört bei
mehrtägigen Wanderreisen des Albvereins Gemmrigheim einfach
schon dazu – frische Brezeln, ein Fläschchen Wein oder Kaffee
zum zweiten Frühstück, dann steht man
locker noch einige Stunden im Bus sitzend oder
unterbrochenen Schlaf nachholend durch. Man kann natürlich auch
über die Sitzreihen hinweg Small talk machen, vergangene Reisen
Revue passieren lassen oder sich einfach auf den bevorstehenden
Event freuen.
Von
der Reise nach Wales und dem Lake District wird immer noch
geschwärmt, aber auch deutsche Lande haben Sehenswertes zu
bieten, zum Beispiel Dresden und das Elbsandsteingebirge. Dazu
hatte Werner Häring zusammen mit Dresdener Freunden ein
Programm zusammengestellt, das fünf Tage lang prall gefüllt
war.
Die
Reisenden waren in der Bergwirtschaft „Wilder Mann“ im
gleichnamigen Stadtteil Dresdens bestens untergebracht, ihnen
lag die Stadt zu Füßen, bei der einbrechenden Dunkelheit ein
reizvoller Anblick.
Hört
man Dresden, hat man augenblicklich die Frauenkirche im Fokus,
die zugegeben eines der schönsten Gebäude
in Dresden ist. Doch bei einer Stadtrundfahrt, die zudem von
einem alteingesessenen Dresdener geleitet wird, lernt man viel
Interessantes kennen. Werner Schmidt, der sich in dankenswerter
Weise bereit erklärt hatte, den Gästen seine Heimatstadt und
ihre Umgebung zu zeigen, hatte in tagelanger Arbeit eine Broschüre
über die Geschichte Dresdens erarbeitet und an alle
verteilt.
Bei
der Stadtrundfahrt fiel als erstes das außergewöhnlichste
Bauwerk Dresdens ins Auge: die Tabakmoschee Yenidze, sie ist das
Vermächtnis eines reichen Tabakfabrikanten und birgt heute
unter anderem ein Restaurant und Räume für Märchenerzähler
unter der bunt verglasten Kuppel. Das langgezogene Gebäude des
Sächsischen Landtags mutet dagegen richtig langweilig an.
Semper-Oper, Hofkirche, Schloss, Brühlsche Terrassen,
Theaterplatz, Blick über die Augustusbrücke hinüber zur
Neustadt, wo August der Starke als vergoldeter römischer
Imperator hoch zu Ross seine Stadt überblickt, all das würde
man in den nächsten Tagen noch aus anderer Perspektive sehen.
Fast
jeder hatte die
Diskussionen in den Medien verfolgt, die vor dem Bau der heftig
umstrittenen Waldschlößchen-Brücke zu Gange waren. Sie
verbindet an der breitesten Stelle der Elbe die links und rechts
des Flusses liegenden Stadtteile und ist
immer noch ein Ärgernis, weil sie offensichtlich nicht
in dem Maße genutzt wird,
wie vorhergesagt. Nun konnte man das Bauwerk aus der Nähe
betrachten und über Sinn und Unsinn der Bürokratie nachdenken.
Bei
strahlend blauem Himmel ging es zu Fuß weiter durch das
idyllisch gelegene Loschwitz, niemand beachtete die dunkle
Wolke, die sich drohend aufbaute. Hier befindet sich die erste
Schwebebahn der Welt, erbaut in den Jahren 1898 – 1900. Vom Körnerplatz
führt die Standseilbahn von 1895, eine der ältesten Bergbahnen
Europas, zum Stadtteil Weißer Hirsch hinauf. Jetzt flanierten
die Besucher über eine der ersten Hänge-Eisenbrücken Europas,
ein technisches Meisterwerk, errichtet von 1891 – 1893, und
wegen des blauen Anstriches das Blaue Wunder genannt. Auf dem Rückweg
zum Bus fielen die ersten Tropfen, dann rettete man sich eilig
in Hauseingänge und unter Markisen der
Cafés vor dem niederprasselnden Regen, der so schnell
aufhörte wie er begonnen hatte.
Auf
der Fahrt durch den Stadtteil Weißer Hirsch passierte man die
drei Elbschlösser – Schloss Albrechtsberg,
Lingner-Schloss und Schloss Eckstein. Viele der eleganten Villen
sind jedoch
dringend renovierungsbedürftig.
Die
Enttäuschung, dass man bei der Rückfahrt den schönsten
Milchladen der Welt nicht besichtigen konnte, weil sich partout
keine Parkmöglichkeit für den Bus finden ließ, war bald
vergessen. Natürlich wäre es ein Erlebnis gewesen, Pfunds
Laden zu besuchen, ein Kleinod, mit bunten Jugendstilkacheln von
Villeroy & Boch geschmückt, die 1892 in Handarbeit
gefertigt wurden. Pausbäckige kleine Lausbuben, niedliche Zopfmädchen,
Gänse, Kühe und allerlei Getier tummeln sich auf den Kacheln
– einfach ein Anblick zum freuen. Der Landwirt Paul Pfund
verschaffte sich Weltruhm, indem er
als erster in Deutschland Kondensmilch herstellte.
Am
Morgen wechselte die Gruppe zunächst das Beförderungsmittel:
ein Schaufelraddampfer brachte sie von Dresden nach dem Kurort
Rathen. Vom Wasser aus gesehen, taten sich wieder ganz andere
Blickwinkel auf. Jetzt sah man noch besser die geniale
Konstruktion des Blauen Wunders, zog gemächlich an den Elbschlössern
vorbei, bis bald darauf die Schlossanlage Pillnitz auftauchte.
Als Renaissance-Schloss gegründet, ließ es August der Starke
im damals modern gewordenen China-Stil umbauen. In dem
ausgedehnten Barockpark wachsen viele exotische Pflanzen, die
Attraktion ist unbestritten die japanische Kamelie, die mit über
200 Jahren die älteste Pflanze dieser Art in Europa ist.
Irgendwo
zwischen Pirna, Wehlen und Rathen steht ein kleines Haus, das
bei der Jahrhundertflut 2002 so beschädigt wurde, dass es nicht
mehr bewohnbar war. Über Werner Schmidt und Andreas Knoof, der
zusammen mit seiner Frau Martina die Reisegruppe an diesem Tag
betreute, kam eine Verbindung zustande, in deren Verlauf die
Vorstandschaft des Gemmrigheimer Albvereins spontan beschloss, den
Erlös der Weihnachtsfeier der betroffenen Familie
zu spenden und den Betrag aus der Vereinskasse
aufzustocken.
Im
Kurort Rathen verließen die Wanderer den Dampfer, suchten an
der Uferböschung ein möglichst ameisenfreies Plätzchen und
packten das mitgebrachte Lunchpaket aus. Beim Gang durch den Ort
konnte man selbst an höher gelegenen Häusern Hochwassermarken
entdecken, die das ganze Ausmaß der Katastrophe anzeigen. Dass
sich so etwas wiederholen könnte, wollte niemand glauben und
doch kam es 2013 wieder zu einer verheerenden Flut. Den Ort
verlassend, folgte man gemeinsam auf
schattigen Wegen einem munter dahin plätschernden Bach,
bis sich die Gruppe teilte, um sich nach einer kürzeren oder längeren
Wanderung – je nach Kondition – wieder auf der Bastei zu
treffen. Beiden Gruppen blieb jedoch der Aufstieg zu der
pittoresken Felsenlandschaft nicht erspart – durch die steilen
so genannten Schwedenlöcher die einen, die anderen
einen kürzeren Weg wählend, in jedem Fall waren zwischen 700 und
900 Stufen zu bewältigen, die Angaben dazu wichen gewaltig von
einander ab.
Auf
der Bastei-Brücke stehend, war die ganze Mühe vergessen: Der
Blick in tiefe Schluchten, auf bizarre Felsformationen, hinunter
ins Elbtal, wo Fluss und Häuser wie eine Märklin-Landschaft
wirken, ist einfach überwältigend. Nur ungern trennte man sich
von diesem Naturwunder, ein Foto noch hier, eines noch da, aber
dann musste man sich sputen, um rechtzeitig am Bus zu sein, der schon wartete , um die Gäste zum Hotel zu
bringen.
Umziehen,
Essen und schon ging es weiter im Programm. Auf dem Theaterkahn
am Elbufer erwartete die Teilnehmer eine
Kabarett-Vorstellung; nicht auf die spaßige Art, sondern
kritisch-nachdenklich führte Friedrich-Wilhelm Junge durch den
Abend. Mit einem Spaziergang über die Augustusbrücke, der schönsten
der acht Elbbrücken, ließ man den Tag ausklingen.
Der nächste
Tag war den Außenbezirken Dresdens vorbehalten: Moritzburg, das
barocke Prachtstück August
des Starken, von Gartenanlagen und Teichen umgeben, ein
Fotomotiv, das x-mal auf Kalenderbildern festgehalten wird. Bei
dem kurzen Aufenthalt war allerdings keine Besichtigung der
Innenräume möglich. Das nächste Ziel war Meißen. Nachdem
Baustellen den angegebenen Parkplatz versperrten, überließ man
es dem findigen schwäbischen Busfahrer, einen geeigneten
Stellplatz zu finden, was ihm auch zum Erstaunen der beiden
Stadtführer gelang. Sie nahmen die Reisenden unter ihre
Fittiche, erklärten auf dem Weg zum hochgelegenen Dom und der
Albrechtsburg, was links und rechts der Gässchen bemerkenswert
ist .Im 1000 Jahre
alten Meißen stehen 600 Häuser unter Denkmalschutz, die
meisten davon befinden sich in einem bedenklichen Zustand. Überall
begegnet man Superlativen: Albrechtsburg, das erste Schloss auf
deutschem Boden, der Dom, einer
der stilreinsten gotischen Kirchenbauten Deutschlands,
seit 1710 ist Meißen ein europäisches Zentrum der
Porzellanmanufaktur. Nach so viel Geschichte meldeten sich
Hunger und Durst und wieder fand
man in Ufernähe ein Plätzchen zum Rasten.
Am
Nachmittag wurde Dresden zu Fuß erkundet. Werner Schmidt übernahm
wieder die Führung. An der Semper-Oper über den Theaterplatz
vorbei zum Zwinger, dem prachtvollen barocken Juwel Dresdens,
ein kurzer Blick in die Hofkirche, ein längerer auf den Fürstenzug.
An der Außenseite des Langen Ganges vom Stallhof werden auf 102
Metern Länge 35 Herrscher dargestellt, die von 58 Vertretern
aus Kunst und Wissenschaft begleitet werden. In Kalkfarben
aufgetragen, drohten die Gemälde einst zu verblassen. 1902
wurde der Fürstenzug auf 25.000 Porzellanfliesen aus Meißen übertragen
und überstand sogar den Bombenangriff von 1945.
Wer
die Frauenkirche zum ersten Mal betritt, ist von ihrer Pracht überwältigt.
Ein bisschen zur Ruhe zu kommen tat gut nach dem turbulenten
Treiben vor der Kirche. Es war kurz vor der sächsischen
Landtagswahl und Kanzlerin Angela Merkel verkündigte lautstark
und mit Nachdruck
das Wahlprogramm ihrer Partei.
Mit dem Spaziergang über die weitläufigen Brühlschen
Terrassen endete die Stadtführung.
An
diesem Abend hatte man wieder – wie schon zum Kabarett – die
Ehepaare Schmidt und Knoof zum Essen und zur anschließenden
Weinprobe eingeladen. Gespannt warteten die Gäste aus dem
Schwabenland, was die ehemalige
Weinkönigin von Sachsen kredenzen
würde. Sie stellte vier Weißweine und einen Rosé aus sächsischen
Weingütern vor, die mit Gemmrigheimer Sachverstand gekostet und
für gut befunden wurden. Erstaunlich waren nur die hohen
Preise, die aber von der Weinkönigin glaubhaft erklärt werden
konnten. Um die Dresdener Freunde von Trollinger, Lemberger und
Co. zu überzeugen, erhielten sie jeweils als Dankeschön für
ihre Mühe Gebinde aus schwäbischen Kellereien.
Der
Tag vor der Heimreise sollte noch einmal zu einem Höhepunkt
werden. Mit dem Bus fuhr man über die tschechische Grenze nach
Hrensko und wanderte durch die wildromantische Edmundsklamm.
Andreas und Martina Knoof, die sich hier gut auskennen,
begleiteten die Wandergruppe. Immer wieder führte der Weg am
schnell fließenden Bach entlang durch enge, in den Fels
gehauene Tunnels. Andreas Knoof hatte vorsorglich Taschenlampen
mitgenommen, damit niemand in der Dunkelheit ins Stolpern kam.
Dann
staute sich das Wasser zu einem kleinen See, der Weg endete
abrupt. Mit Stocherkähnen wurde die romantische Tour
fortgesetzt, wobei der Bootsmann an den hochragenden Felsen
steinerne Figuren ausmachte, die man mit etwas gutem Willen und
viel Phantasie als Krokodil, Hund, Löwe oder gar als Elefant bezeichnen konnte.
Sein „O sole mio“ hallte von den Felswänden wider, während
er mit der langen Stange dem Boot die Richtung vorgab. Bald
verließ man den schwankenden Kahn, wanderte eine kurze Strecke
weiter und bestieg beim nächsten aufgestautem Wasser wieder
einen Kahn. Anschließend musste man sich allerdings auf eigenen
Füßen fortbewegen.
In
zwei Gruppen machte man sich auf den Weg nach Mezni Louka. Ein
Gewitter mit sturzbachähnlichem Regen drohte das Programm zu
sprengen. Bei Bier und Kaffee im nahe gelegenen Lokal war
Krisenbesprechung. Als die
Sonne zaghaft
hinter den Wolken vorlugte,
war klar, dass man die Strecke zum Prebischtor wagen
konnte. Wer die Strapazen nicht auf sich nehmen wollte oder
konnte, hatte die Möglichkeit, zurück nach Hrensko zu fahren
und über den großen Tschechenmarkt zu bummeln.
Den
Übriggebliebenen begegneten Wanderer aus aller Herren Länder,
auf steilen Pfaden wurde es manchmal beängstigend eng, vor
allem, wenn sich große Wasserlachen mitten im Weg angesammelt
hatten. Irgendwann wollte man dann doch endlich das berühmte
steinerne Tor sehen. „Ist es noch weit?“ „Hinter der nächsten
Kurve müsste man ES schon sehen“. Aber es kamen noch viele
Kehren, bis das staunende „AHH“ ertönte. Wieder
stand man einem Wunderwerk der Natur gegenüber, vor dem man
sich ganz klein vorkam. Das Prebischtor ist die größte natürliche
Sandstein-Felsbrücke in Europa mit einer Höhe von 16 Metern
und einer Spannweite von 26,5 Metern. Nach gebührender
Bewunderung gönnte man sich noch ein kühles Bier vom kleinen
Kiosk und bereitete sich zum langen Abstieg nach Hrensko vor, wo
die Marktbummler schon warteten. Bei der Rückfahrt gab es
einiges zu erzählen, von der eigenen Leistung und von den Schnäppchen,
die auf dem Markt zu finden waren.
Der
Abschied von Dresden fiel nicht leicht, es gäbe noch jede Menge
zu sehen, das Programm der vergangenen Tage hat manches nur
„anreißen“ können, so dass die Lust zu einem ausgedehnten
Besuch bei vielen geweckt wurde.
Nun
hieß es also die Zimmer räumen, die Hotelleitung bot ein
letztes Lunchpaket an, ein herzliches Dankeschön an Andreas und
Martina Knoof – vom Ehepaar Schmidt hatte man sich bereits
nach der Weinprobe verabschiedet – noch ein Blick zurück und
Uwe Seyfferle steuerte seinen Bus in Richtung Autobahn.
Werner
Häring zog noch
ein As aus dem Ärmel. Damit
die Heimfahrt nicht gar zu langweilig wurde, hatte er einen
Stopp in der Wagner-Stadt Bayreuth
eingeplant. Dort war die Parkplatz-Suche wie auch in Meißen
durch Umleitungen und Baustellen erheblich erschwert. Die
unfreiwillige Stadtrundfahrt fand ein Ende, als sich winkende
Personen als die angeforderten Stadtführer entpuppten. Im
Schnellgang wurden die Touristen durch Bayreuth geschleust, mit
Wagner, Jean Paul und Wilhelmine von Preußen bekanntgemacht und
wunderten sich, dass Bayreuth nicht nur aus dem „Grünen Hügel“
besteht, sondern eine bewegte und interessante Vergangenheit
hat.
Da
nun mal die Mittagsstunde überschritten war und der Hunger groß
wurde, konnten alle nach kurzer Fahrt vor übervollen Tellern
sitzen, die in dem ausgewählten Lokal blitzschnell serviert
wurden. Werner Häring hatte darauf bestanden, dass das Essen zügig auf den Tisch kam, da noch eine lange
Heimfahrt anstand.
Wäre
auf der Autobahn nicht immer wieder Stau gewesen und hätte der
Regen eine schnellere Fahrt zugelassen, wäre man zu der im
Programm angegebenen Zeit in Gemmrigheim gewesen. Dafür war genügend
Zeit, Uwe Seyfferle für seine gewohnt sichere Fahrweise
und Werner Häring für die Idee, Organisation und Durchführung
ganz herzlich für diese Tage mit unvergesslichen Eindrücken in
Dresden und Umgebung zu danken.
zur Bildershow
|