Rückblicke 1426                                                                                                                           Gerda Pfeiffer      

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                                  Reisebericht über die Wander- und Kulturreise
                                                                    Dresden mit Umland 


Es gehört bei mehrtägigen Wanderreisen des Albvereins Gemmrigheim einfach schon dazu – frische Brezeln, ein Fläschchen Wein oder Kaffee zum zweiten Frühstück, dann steht man  locker noch einige Stunden im Bus sitzend oder unterbrochenen Schlaf nachholend durch. Man kann natürlich auch über die Sitzreihen hinweg Small talk machen, vergangene Reisen Revue passieren lassen oder sich einfach auf den bevorstehenden Event freuen.

Von der Reise nach Wales und dem Lake District wird immer noch geschwärmt, aber auch deutsche Lande haben Sehenswertes zu bieten, zum Beispiel Dresden und das Elbsandsteingebirge. Dazu hatte Werner Häring zusammen mit Dresdener Freunden ein Programm zusammengestellt, das fünf Tage lang prall gefüllt war.

Die Reisenden waren in der Bergwirtschaft „Wilder Mann“ im gleichnamigen Stadtteil Dresdens bestens untergebracht, ihnen lag die Stadt zu Füßen, bei der einbrechenden Dunkelheit ein reizvoller Anblick.

Hört man Dresden, hat man augenblicklich die Frauenkirche im Fokus, die zugegeben eines der schönsten Gebäude in Dresden ist. Doch bei einer Stadtrundfahrt, die zudem von einem alteingesessenen Dresdener geleitet wird, lernt man viel Interessantes kennen. Werner Schmidt, der sich in dankenswerter Weise bereit erklärt hatte, den Gästen seine Heimatstadt und ihre Umgebung zu zeigen, hatte in tagelanger Arbeit eine Broschüre  über die Geschichte Dresdens erarbeitet und an alle verteilt.

Bei der Stadtrundfahrt fiel als erstes das außergewöhnlichste Bauwerk Dresdens ins Auge: die Tabakmoschee Yenidze, sie ist das Vermächtnis eines reichen Tabakfabrikanten und birgt heute unter anderem ein Restaurant und Räume für Märchenerzähler unter der bunt verglasten Kuppel. Das langgezogene Gebäude des Sächsischen Landtags mutet dagegen richtig langweilig an. Semper-Oper, Hofkirche, Schloss, Brühlsche Terrassen, Theaterplatz, Blick über die Augustusbrücke hinüber zur Neustadt, wo August der Starke als vergoldeter römischer Imperator hoch zu Ross seine Stadt überblickt, all das würde man in den nächsten Tagen noch aus anderer Perspektive sehen.

Fast jeder hatte  die Diskussionen in den Medien verfolgt, die vor dem Bau der heftig umstrittenen Waldschlößchen-Brücke zu Gange waren. Sie verbindet an der breitesten Stelle der Elbe die links und rechts des Flusses liegenden Stadtteile und ist  immer noch ein Ärgernis, weil sie offensichtlich nicht in dem Maße genutzt  wird, wie vorhergesagt. Nun konnte man das Bauwerk aus der Nähe betrachten und über Sinn und Unsinn der Bürokratie nachdenken.

Bei strahlend blauem Himmel ging es zu Fuß weiter durch das idyllisch gelegene Loschwitz, niemand beachtete die dunkle Wolke, die sich drohend aufbaute. Hier befindet sich die erste Schwebebahn der Welt, erbaut in den Jahren 1898 – 1900. Vom Körnerplatz führt die Standseilbahn von 1895, eine der ältesten Bergbahnen Europas, zum Stadtteil Weißer Hirsch hinauf. Jetzt flanierten die Besucher über eine der ersten Hänge-Eisenbrücken Europas, ein technisches Meisterwerk, errichtet von 1891 – 1893, und wegen des blauen Anstriches das Blaue Wunder genannt. Auf dem Rückweg zum Bus fielen die ersten Tropfen, dann rettete man sich eilig in Hauseingänge und unter Markisen der  Cafés vor dem niederprasselnden Regen, der so schnell aufhörte wie er begonnen hatte.

Auf der Fahrt durch den Stadtteil Weißer Hirsch passierte man die drei Elbschlösser – Schloss Albrechtsberg, Lingner-Schloss und Schloss Eckstein. Viele der eleganten Villen sind  jedoch dringend renovierungsbedürftig.

Die Enttäuschung, dass man bei der Rückfahrt den schönsten Milchladen der Welt nicht besichtigen konnte, weil sich partout keine Parkmöglichkeit für den Bus finden ließ, war bald vergessen. Natürlich wäre es ein Erlebnis gewesen, Pfunds Laden zu besuchen, ein Kleinod, mit bunten Jugendstilkacheln von Villeroy & Boch geschmückt, die 1892 in Handarbeit gefertigt wurden. Pausbäckige kleine Lausbuben, niedliche Zopfmädchen, Gänse, Kühe und allerlei Getier tummeln sich auf den Kacheln – einfach ein Anblick zum freuen. Der Landwirt Paul Pfund verschaffte sich Weltruhm, indem er  als erster in Deutschland Kondensmilch herstellte.

Am Morgen wechselte die Gruppe zunächst das Beförderungsmittel: ein Schaufelraddampfer brachte sie von Dresden nach dem Kurort Rathen. Vom Wasser aus gesehen, taten sich wieder ganz andere Blickwinkel auf. Jetzt sah man noch besser die geniale Konstruktion des Blauen Wunders, zog gemächlich an den Elbschlössern vorbei, bis bald darauf die Schlossanlage Pillnitz auftauchte. Als Renaissance-Schloss gegründet, ließ es August der Starke im damals modern gewordenen China-Stil umbauen. In dem ausgedehnten Barockpark wachsen viele exotische Pflanzen, die Attraktion ist unbestritten die japanische Kamelie, die mit über 200 Jahren die älteste Pflanze dieser Art in Europa ist.

Irgendwo zwischen Pirna, Wehlen und Rathen steht ein kleines Haus, das bei der Jahrhundertflut 2002 so beschädigt wurde, dass es nicht mehr bewohnbar war. Über Werner Schmidt und Andreas Knoof, der zusammen mit seiner Frau Martina die Reisegruppe an diesem Tag betreute, kam eine Verbindung zustande, in deren Verlauf die Vorstandschaft des Gemmrigheimer Albvereins spontan beschloss, den Erlös der Weihnachtsfeier der betroffenen Familie zu spenden und den Betrag aus der Vereinskasse aufzustocken.

Im Kurort Rathen verließen die Wanderer den Dampfer, suchten an der Uferböschung ein möglichst ameisenfreies Plätzchen und packten das mitgebrachte Lunchpaket aus. Beim Gang durch den Ort konnte man selbst an höher gelegenen Häusern Hochwassermarken entdecken, die das ganze Ausmaß der Katastrophe anzeigen. Dass sich so etwas wiederholen könnte, wollte niemand glauben und doch kam es 2013 wieder zu einer verheerenden Flut. Den Ort verlassend, folgte man gemeinsam auf  schattigen Wegen einem munter dahin plätschernden Bach, bis sich die Gruppe teilte, um sich nach einer kürzeren oder längeren Wanderung – je nach Kondition – wieder auf der Bastei zu treffen. Beiden Gruppen blieb jedoch der Aufstieg zu der pittoresken Felsenlandschaft nicht erspart – durch die steilen so genannten Schwedenlöcher die einen, die anderen  einen  kürzeren Weg wählend, in jedem Fall waren zwischen 700 und 900 Stufen zu bewältigen, die Angaben dazu wichen gewaltig von einander ab.

Auf der Bastei-Brücke stehend, war die ganze Mühe vergessen: Der Blick in tiefe Schluchten, auf bizarre Felsformationen, hinunter ins Elbtal, wo Fluss und Häuser wie eine Märklin-Landschaft wirken, ist einfach überwältigend. Nur ungern trennte man sich von diesem Naturwunder, ein Foto noch hier, eines noch da, aber dann musste man sich sputen, um rechtzeitig am Bus  zu sein, der schon wartete , um die Gäste zum Hotel zu bringen.

Umziehen, Essen und schon ging es weiter im Programm. Auf dem Theaterkahn am Elbufer erwartete die Teilnehmer eine  Kabarett-Vorstellung; nicht auf die spaßige Art, sondern kritisch-nachdenklich führte Friedrich-Wilhelm Junge durch den Abend. Mit einem Spaziergang über die Augustusbrücke, der schönsten der acht Elbbrücken, ließ man den Tag ausklingen.

Der nächste Tag war den Außenbezirken Dresdens vorbehalten: Moritzburg, das barocke Prachtstück August  des Starken, von Gartenanlagen und Teichen umgeben, ein Fotomotiv, das x-mal auf Kalenderbildern festgehalten wird. Bei dem kurzen Aufenthalt war allerdings keine Besichtigung der Innenräume möglich. Das nächste Ziel war Meißen. Nachdem Baustellen den angegebenen Parkplatz versperrten, überließ man es dem findigen schwäbischen Busfahrer, einen geeigneten Stellplatz zu finden, was ihm auch zum Erstaunen der beiden Stadtführer gelang. Sie nahmen die Reisenden unter ihre Fittiche, erklärten auf dem Weg zum hochgelegenen Dom und der Albrechtsburg, was links und rechts der Gässchen bemerkenswert ist .Im 1000  Jahre alten Meißen stehen 600 Häuser unter Denkmalschutz, die meisten davon befinden sich in einem bedenklichen Zustand. Überall begegnet man Superlativen: Albrechtsburg, das erste Schloss auf deutschem Boden, der Dom, einer  der stilreinsten gotischen Kirchenbauten Deutschlands, seit 1710 ist Meißen ein europäisches Zentrum der Porzellanmanufaktur. Nach so viel Geschichte meldeten sich Hunger und Durst und wieder  fand man in Ufernähe ein Plätzchen zum Rasten.

Am Nachmittag wurde Dresden zu Fuß erkundet. Werner Schmidt übernahm wieder die Führung. An der Semper-Oper über den Theaterplatz vorbei zum Zwinger, dem prachtvollen barocken Juwel Dresdens, ein kurzer Blick in die Hofkirche, ein längerer auf den Fürstenzug. An der Außenseite des Langen Ganges vom Stallhof werden auf 102 Metern Länge 35 Herrscher dargestellt, die von 58 Vertretern aus Kunst und Wissenschaft begleitet werden. In Kalkfarben aufgetragen, drohten die Gemälde einst zu verblassen. 1902 wurde der Fürstenzug auf 25.000 Porzellanfliesen aus Meißen übertragen und überstand sogar den Bombenangriff von 1945.

Wer die Frauenkirche zum ersten Mal betritt, ist von ihrer Pracht überwältigt. Ein bisschen zur Ruhe zu kommen tat gut nach dem turbulenten Treiben vor der Kirche. Es war kurz vor der sächsischen Landtagswahl und Kanzlerin Angela Merkel verkündigte lautstark und mit  Nachdruck das Wahlprogramm ihrer  Partei. Mit dem Spaziergang über die weitläufigen Brühlschen Terrassen endete die Stadtführung.

An diesem Abend hatte man wieder – wie schon zum Kabarett – die Ehepaare Schmidt und Knoof zum Essen und zur anschließenden Weinprobe eingeladen. Gespannt warteten die Gäste aus dem Schwabenland, was die  ehemalige Weinkönigin von Sachsen  kredenzen würde. Sie stellte vier Weißweine und einen Rosé aus sächsischen Weingütern vor, die mit Gemmrigheimer Sachverstand gekostet und für gut befunden wurden. Erstaunlich waren nur die hohen Preise, die aber von der Weinkönigin glaubhaft erklärt werden konnten. Um die Dresdener Freunde von Trollinger, Lemberger und Co. zu überzeugen, erhielten sie jeweils als Dankeschön für ihre Mühe Gebinde aus schwäbischen Kellereien.

Der Tag vor der Heimreise sollte noch einmal zu einem Höhepunkt werden. Mit dem Bus fuhr man über die tschechische Grenze nach Hrensko und wanderte durch die wildromantische Edmundsklamm. Andreas und Martina Knoof, die sich hier gut auskennen, begleiteten die Wandergruppe. Immer wieder führte der Weg am schnell fließenden Bach entlang durch enge, in den Fels gehauene Tunnels. Andreas Knoof hatte vorsorglich Taschenlampen mitgenommen, damit niemand in der Dunkelheit ins Stolpern kam.

Dann staute sich das Wasser zu einem kleinen See, der Weg endete abrupt. Mit Stocherkähnen wurde die romantische Tour fortgesetzt, wobei der Bootsmann an den hochragenden Felsen steinerne Figuren ausmachte, die man mit etwas gutem Willen und viel Phantasie  als  Krokodil, Hund, Löwe oder gar als Elefant bezeichnen konnte. Sein „O sole mio“ hallte von den Felswänden wider, während er mit der langen Stange dem Boot die Richtung vorgab. Bald verließ man den schwankenden Kahn, wanderte eine kurze Strecke weiter und bestieg beim nächsten aufgestautem Wasser wieder einen Kahn. Anschließend musste man sich allerdings auf eigenen Füßen fortbewegen.

In zwei Gruppen machte man sich auf den Weg nach Mezni Louka. Ein Gewitter mit sturzbachähnlichem Regen drohte das Programm zu sprengen. Bei Bier und Kaffee im nahe gelegenen Lokal war Krisenbesprechung. Als  die Sonne  zaghaft hinter den Wolken vorlugte,  war klar, dass man die Strecke zum Prebischtor wagen konnte. Wer die Strapazen nicht auf sich nehmen wollte oder konnte, hatte die Möglichkeit, zurück nach Hrensko zu fahren und über den großen Tschechenmarkt zu bummeln.

Den Übriggebliebenen begegneten Wanderer aus aller Herren Länder, auf steilen Pfaden wurde es manchmal beängstigend eng, vor allem, wenn sich große Wasserlachen mitten im Weg angesammelt hatten. Irgendwann wollte man dann doch endlich das berühmte steinerne Tor sehen. „Ist es noch weit?“ „Hinter der nächsten Kurve müsste man ES schon sehen“. Aber es kamen noch viele  Kehren, bis das staunende „AHH“ ertönte. Wieder stand man einem Wunderwerk der Natur gegenüber, vor dem man sich ganz klein vorkam. Das Prebischtor ist die größte natürliche Sandstein-Felsbrücke in Europa mit einer Höhe von 16 Metern und einer Spannweite von 26,5 Metern. Nach gebührender Bewunderung gönnte man sich noch ein kühles Bier vom kleinen Kiosk und bereitete sich zum langen Abstieg nach Hrensko vor, wo die Marktbummler schon warteten. Bei der Rückfahrt gab es einiges zu erzählen, von der eigenen Leistung und von den Schnäppchen, die auf dem Markt zu finden waren.

Der Abschied von Dresden fiel nicht leicht, es gäbe noch jede Menge zu sehen, das Programm der vergangenen Tage hat manches nur „anreißen“ können, so dass die Lust zu einem ausgedehnten Besuch bei vielen geweckt wurde.

Nun hieß es also die Zimmer räumen, die Hotelleitung bot ein letztes Lunchpaket an, ein herzliches Dankeschön an Andreas und Martina Knoof – vom Ehepaar Schmidt hatte man sich bereits nach der Weinprobe verabschiedet – noch ein Blick zurück und Uwe Seyfferle steuerte seinen Bus in Richtung Autobahn.

Werner Häring zog  noch ein As aus dem Ärmel.  Damit die Heimfahrt nicht gar zu langweilig wurde, hatte er einen Stopp in der Wagner-Stadt Bayreuth  eingeplant. Dort war die Parkplatz-Suche wie auch in Meißen durch Umleitungen und Baustellen erheblich erschwert. Die unfreiwillige Stadtrundfahrt fand ein Ende, als sich winkende Personen als die angeforderten Stadtführer entpuppten. Im Schnellgang wurden die Touristen durch Bayreuth geschleust, mit Wagner, Jean Paul und Wilhelmine von Preußen bekanntgemacht und wunderten sich, dass Bayreuth nicht nur aus dem „Grünen Hügel“ besteht, sondern eine bewegte und interessante Vergangenheit hat.

Da nun mal die Mittagsstunde überschritten war und der Hunger groß wurde, konnten alle nach kurzer Fahrt vor übervollen Tellern sitzen, die in dem ausgewählten Lokal blitzschnell serviert wurden. Werner Häring hatte darauf bestanden, dass  das Essen zügig auf den Tisch kam, da noch eine lange Heimfahrt  anstand.

Wäre auf der Autobahn nicht immer wieder Stau gewesen und hätte der Regen eine schnellere Fahrt zugelassen, wäre man zu der im Programm angegebenen Zeit in Gemmrigheim gewesen. Dafür war genügend Zeit, Uwe Seyfferle für seine gewohnt sichere Fahrweise  und Werner Häring für die Idee, Organisation und Durchführung ganz herzlich für diese Tage mit unvergesslichen Eindrücken in Dresden und Umgebung zu danken.

 

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